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Ein Jahrhundert danach
ENTSCHEIDUNG 1866. Der Krieg zwischen Österreich und Preußen. Herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Freiburg durch Wolf gang von Groote und Ursula von Gersdorff. 280 Seiten, 4 Textskizzen, 2 Übersichtsskizzen, 1 Faksimile, 16 farbige Uniformbilder, 10 zeitgenössische Vignetten. Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart, 1966. Preis DM 19.80.
ENTSCHEIDUNG 1866. Der Krieg zwischen Österreich und Preußen. Herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Freiburg durch Wolf gang von Groote und Ursula von Gersdorff. 280 Seiten, 4 Textskizzen, 2 Übersichtsskizzen, 1 Faksimile, 16 farbige Uniformbilder, 10 zeitgenössische Vignetten. Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart, 1966. Preis DM 19.80.
Weitab vom vaterländischen Lesebuchklischee durchleuchtet das Gelehrtenteam, das an dem Werk mitgearbeitet hat, die Schlacht vom 3. Juli 1866. Was wußte man denn aus dem Geschichtsunterricht über Königgrätz? Man kannte das Zünd- nadelgewehr, vielleicht auch die „Batterie der Toten“, schließlich den unglücklichen Feldzeugmeister, hatte man noch in der Monarchie oder in der „vaterländischen“ Zeit — um euphemistisch-unverfänglich jenes Jahrviert zu nennen — eine österreichische Schule besucht. Wer „draußen“ oder nach 1938 Unterweisungen in Weltgeschichte erhielt, dem war eine andere Brille aufgesetzt worden, der sah die blauen Preußen wie ein Ungewitter — und als Vorgeschmack für Sedan — über die Weißröcke hereinbrechen, der hörte von Königgrätz als einer entscheidenden Schlacht in den „deutschen Einigungskriegen“ . sprechen, schließlich wurde ihm das Vateridol Bismarck präsentiert. Und wer nach 1945 die Schulbänke drückte, der hörte über Königgrätz wahrscheinlich gar nichts
Ein Team von Gelehrten — unter ‘ihnen mit Univ.-Prof. Doktor Ludwig Jedlicka und Doktor Johann Christoph Allmayer-Beck auch zwei Österreicher — hat sich der Aufgabe unterzogen, den gesamten Fragenkomplex um Königgrätz und die Folgen neu zu durchidenken. Ein Jahrhundert nach der Schlacht erlaubt die Quellenlage eine abgewogenere Darstellung, als es bisher möglich war:
Robert van Roosbroek gibt einen Abriß der politisch-diplomatischen Vorgeschichte, der Generalstabsoberst Dr. Wolfgang von Groote skizziert Moltkes Planungen für den böhmischen Feldzug, während der Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien, Dr. Allmayer- Beck, in seiner Studie über den Feldzug der österreichischen Nordarmee zunächst die Legenden, die sich um den Kommandotausch zwischen Benedek und Erzherzog Albrecht gebildet haben, beiseitefegt und schließlich versucht, die Gedankengänge des unglücklichen Feldherm nachzudenken, mit dem Ergebnis, daß die Schuld an der Niederlage nicht in der ungleichen Bewaffnung gelegen sein kann, auch nicht in einer Reihe von für Österreich unglücklichen Zufällen, sondern im Aufeinandertreffen zweier völlig gegensätzlicher Kriegstheorien, die beide freilich von gemeinsamen Wurzeln — aus der napoleonischen Strategie — kommen.
Eberhard Kaulbach, Generalstäbler und Militärhistoriker, untersucht die militärische Führung der beiden Armeen und findet Worte höchster Anerkennung für den Einsatz Bene- deks bis hinunter zum Infanteristen im letzten Glied, wenn er fragt, wie sich wohl preußische Truppen an Stelle der Österreicher unter gleichen Bedingungen verhalten hätten.
Den Weg Preußens als Führungsmacht eines nur fünf Jahre später ins Leben getretenen deutschen Nationalstaates schildert Werner Conze, während Ludwig Jedlicka, größtenteils auf Grund bisher unbekannten Quellenmiaterials, die innere Situation der Donaumonarchie nach der verlorenen Schlacht darstellt: Das Erwachen des Nationalismus, der „Ausgleich“ mit Ungarn, das Ende der Militärgrenze, nicht zuletzt die Frage der gemeinsamen Armee — das waren die’ großen Probleme, die jetzt an den Fundamenten des Habsburgerreiches rüttelten, die — immer wieder nur behelfsmäßig gelöst — knapp ein halbes Jahrhundert später den ganzen Bau zum Einsturz bringen sollten.
Zeitgenössische Berichte, zusam- mengestellt aus Augenzeugenerlebnissen, Zeitungsreportagen — vor allem der „Times“ —, aus Archivalien und Memoiren schließen den wertvollen Band ab, den eine Zusammenstellung der Stellenbesetzungen bei den beiden Armeen, ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie farbige Uniformtafeln, Vignetten und Kartenskizzen ausgezeichnet ergänzen. Ein wichtiges Buch, nicht etwa nur für den Militärhistoriker, sondern vielmehr für jeden, den historisch-politische Zusammenhänge interessieren. Die Tatsache, daß es bei dem Werk um eine deutsch-österreichische Gemeinschaftsarbeit handelt, mag hundert Jahre nach Königgrätz nicht mehr bemerkenswert scheinen, ist aber für den österreichischen Leser dennoch erfreulich.
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