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Wanderer, kommst du nach Rohrbach.

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Wer sich schon einmal in den Bezirk Rohrbach, OÖ., hinaufgewagt hat, dem wird bald die Schönheit der Landschaft — und die Armut des Gebietes aufgefallen sein. Schon der äußere Anblick der Häuser demonstriert den weit unter dem allgemeinen Bundesdurchschnitt liegenden Lebensstandard seiner Bewohner. Eine große Anzahl von Ab-wanderern, zirka 2000 Wochenpendler aus dem Bezirk und eine sehr hohe Arbeitslosenquote sind ein weiterer Beweis für die schlechte wirtschaftliche Lage des Gebietes. Worin liegen die Ursachen für diese Verhältnisse?

Einen Teil der Schuld trägt sicher die Besatzungszeit. Während in den von den Westmächten besetzten Gebieten doch bald eine wirtschaftliche Belebung einsetzte und Investitionen gewagt wurden, unterblieben im Be-

zirk Rohrbach während der östlichen Besatzungszeit alle wirtschaftichen Initiativen.

Zudem ist das Gebiet auch durch seine Grenzsituation allein schon schwer benachteiligt. Auf der einen Seite als Grenze die Donau, über die im Bereich des Bezirkes keine einzige Brücke, sondern nur einige Rollfähren mit geringer Kapazität führen, die noch dazu im Winter oder bei stärkerem Wind nicht einmal sicher in Betrieb sind. Die bayerische Grenze ist zwar offen, aber auch sie bildet doch einen Nachteil für die Entwicklung des Gebietes. Die Grenze zur Tschechoslowakei weist im Gebiet keinen einzigen Grenzübergang auf. Sie bildet eine praktisch hermetische Abschließung des Gebietes nach Norden und erlaubt keinerlei wirtschaftlichen Austausch.

Dabei war in früheren Zeiten die Lage des Gebietes nicht so extrem schlecht; erst in neuerer und neuester Zeit wird sie immer bedrückender,

Die unergiebige Kleinwirtschaft

Noch vor wenigen Jahren war die Landwirtschaft ja sehr arbeitsintensiv, was die menschliche Handarbeit betrifft. Eine große Zahl von Menschen fand in ihr ihren Lebensunterhalt. Erst mit der zunehmenden Technisierung und Spezialisierung in der Landwirtschaft werden aus ihr sehr viele Arbeitskräfte frei. Zudem sind die Betriebsgrößen der Landwirtschaften im Gebiet extrem klein. Zirka die Hälfte unserer Landwirtschaften weisen eine Größe unter 5 ha auf, 30% liegen in der Größenordnung unter 20 ha und nur 20% der Landwirtschaften haben eine Größe von mehr als 20 ha. In nächster Zukunft werden sich also viele Landwirte um eine andere Existenz umsehen müssen, weil sie von ihrer Kleinlandwirtschaft allein nicht mehr leben können.

Sie sind auf einen anderen Haupterwerb angewiesen. Diesen Haupterwerb gibt es aber im Bezirk nicht! Das ist wohl das Kernproblem des Bezirkes: es gibt kaum industrielle Arbeitsplätze im Bezirk! Der Bezirk weist praktisch keine Industrie auf. Deshalb gibt es auch sehr wenig Dienstleistungsplätze, denn nur wo gewierblich-ifiidustriello Arbeitsplätze sind, wo deshalb ein gewisser Lebensstandard herrscht, werden auch Dienstleistungsberufe in größerer Zahl in Anspruch genommen. Der Bezirk wird nur lebensfähig sein, wenn sich in ihm der gesunde Dreiklang Landwirtschaft—Fremden-

verkehr—Industrie entsprechend entfaltet.

Die Probleme der Landwirtschaft sind ja auf den Bezirk allein beschränkt, manche Lösungsvorschläge, wie Spezialisierung, Gründung von Maschinenringen, Grundaufstoekun-gen usw., werden auch hier unumgänglich notwendig sein, sind aber allein zur Lösung der Probleme ungenügend. Nur durch Schaffungen von andersartigen Haupterwerbsmöglichkeiten läßt sich für die bäuerliche Bevölkerung ein gewisser Lebensstandard erwarten.

Fremdenverkehr und Arbeitsplätze

Sicherlich hat auch der Fremdenverkehr eine große Bedeutung für die Zukunft des Bezirkes. Allerdings müßten auch für den Fremdenverkehr großzügige Initiativen gesetzt werden. Erste Schritte in dieser Richtung sind etwa der Ausbau des Skigebietes am Hochfleht oder die Schaffung des Naturschutzparkes der Gemeinde Altenfelden. Weitere Schritte in dieser Richtung müßten folgen. Vor allem müßte man den Urlaub am Bauernhof ausbauen, die Errichtung von Fremdenzimmern fördern und auch bei der Konzessionserteilung für Fremdenpensionen weitblickender und großzügiger sein. Ohne größere Anreize wird sich auch der Fremdenverkehr nicht wesentlich beleben lassen.

Entscheidend für die Zukunft des Bezirkes wird aber die Schaffung neuer gewerblich-industrieller Arbeitsplätze sein. Nur wenn neue Arbeitsplätze geschaffen werden, kann die Abwanderung eingedämmt, die Pendlerbewegung gemildert und der Lebensstandard der Bevölkerung gehoben werden. Nur durch gewerblich-industrielle Arbeitsplätze wird

auch der Großteil der jährlichen Schulabgänger — der Bezirk weist einen jährlichen Geburtenüberschuß von zirka 700 Menschen auf — im Bezirk eine Existenzmöglichkeit finden.

Gemeinden, Land und Bund müssen zusammenhelfen, um die Ansiedlung neuer Betriebe zu fördern. Die Gemeinden müssen ihren Beitrag leisten, um Grundstücke mit Wasser-, Licht-, Telephon- und Straßenanschluß möglichst günstig zur Verfügung zu stellen.

Land und Bund müssen durch Beihilfen und Kredite, Steuererleichterungen für die Neugründer, Zuschüsse zu den Grunderschließungskosten, Beihilfen zur Ausbildung von Facharbeitern, Zuschüsse zu den erhöhten Transportkosten usw. müßte die Neuansiedlung von Betrieben in unserem Gebiet fördern! Selbstverständlich muß auch die Infrastruktur in allen Bereichen entsprechend ausgebaut werden. Unumgänglich notwendig sind deshalb der Anschluß des Bezirkes an die Autobahn (jenseits der deutschen Grenze bei Wegscheid) durch einen vierspurigen Autobahnzubringer, der Bau einer Schnellstraße nach Linz und der Bau einer Donaubrücke innerhalb der Beziirksgrenzen. Zur Zeit ist der Bezirk einer Auslaugung ausgesetzt, die auch wehrpolitisch und gesamtvolkswirtschaftlich gesehen schwerwiegendste Folgen für das gesamte Bundesgebiet haben müßte. Noch ist es Zeit, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Nur wenn rasch, sehr rasch gehandelt wird, läßt sich größeres Unheil verhüten, denn auch die Geduld der Bevölkerung des Gebietes ist bald erschöpft. Noch ist es Zeit zu handelt — allerdings allerhöchste Zeit.

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