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Westwind, Ostwind

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Nach dem kalten August 1968, als rote Panzer die Souveränität der CSSR auislösohten, ist die Bie- suobsdiplomartie über den Eisernen Vorhang hinweg suspekt geworden. Politiker aus den fünf Ländern das Warschauer Paktes, die in die CSSR eingefallen waren, wurden vom Westen mit einem Quasiboykott belegt — wurden aber auch von einigen Entwicklungsländern geschnitten und von Jugoslawiens Tito ausgeladen.

Ausgeläden hat aber auch Wien seine Herbstgäste: denn schon im September dieses Jahres hätte Ungarns Ministerpräsident Fock nach Wien reisen sollen, etwas später sollte ihm Bulgariens Regierungschef Schiwkoff folgen.

Doch der unter dem Druck der Opposition stehende Kanzler, dem man vorwarf, er hätte sich in der Tschechenkrise als zuwenig hart gegenüber dem Osten gezeigt, lud Fock und Schiwkoff höflich, aber bestimmt aus.

Osthandelskontakte

Nun freilich hat sich das Spektrum wieder gewandelt. Und — so sagt man am Ballhiaiusplatz — man könne nicht laufend schmollen, während andere europäische Staaten, voran einige NATO-Länder, längst den Boykott fallengelassen hätten. Ja selbst Westdeutschland will die Besuchsdiplomatie mit Ostdeutschland pflegen.

So sollen Fock und Schiwkoff also im Frühjahr nach Wien reisen.

Die Besuche des Ungarn und des Bulgaren sind Erwiderungen von Besuchen des Bundeskanzlers im Jahre 1967. Damals war Klaus in einer Welle von Ostkontakten zuerst nach Moskau, dann nach Budapest, Sofia und Bukarest gefahren.

Zwar brachte der Kanzler nicht die Zustimmung der Kommunisten zu Österreichs engerer EWG-Bindlung mit, fand aber mehr Verständnis für die Außenhandelssituation Österreichs und knüpfte ©ine Reihe von Kontakten, die nun auf wirtschaftlichem und technologischem Gebiet ihre Früchte tragen. So sind die Aufträge an einige eisenverarbeitende Unternehmungen der verstaatlichten Wirtschaft bemerkenswert hoah gestiegen und die ÖMV konnte mit den Sowjets einen Pipeiinevertrag zustande bringen, der Österreich billiges Öl verschafft.

Imagepflege vor den Wahlen

Doch die seinerzeitige Welle der Ostkontakte brachte dem Kanzler nicht allgemein Sympathie ein.

Oppositionschef Kreisky griff Klaus wiederholt an, ja die SPÖ warf dem Kanzler sogar „Ostanfälligkeit“ vor. Und in der eigenen Partei fand der Regierungschef lauten Tadel. Die verlorenen Stadtwahlen in Salzburg und die Lamdtagswahlen in Oberöisterreioh sollen nicht zuletzt Ergebnis der allzu offensichtlichen Annäherung an den Osten gewesen sein, behaupteten damals zahlreiche ÖVP-Funktionäre der beiden Bundesländer, in denen das „nationale“ Element eine große Rolle spielt.

1968 glich Klaus dann allerdings aus. Seine Reise nach Washington und Tokio sollte die einseitige Optik vergessen lassen. Und statt einem Reigen tanzender bulgarischer Mädchen, die den „sportlichsten Regierungschef der Welt“ (so die deutsche Illustrierte „Quick“) in ihre Mitte nahmen, stellte sich Klaus mit smarten Hostessen von San Fran- zisko für die persönliche Imagepflege vor die Kameras.

Eine Königin in Wien

Doch diese „Ausgleichsdiplomatie“ soll auch 1969 — das letzte volle

Jahr vor den Nationalratswahlen — fortgesetzt werden. Denn nach Fock und Schiwkoff kommt Deutschlands Bundeskanzler noch1 dm Frühjahr dienstlich nach Österreich — obwohl er Jahr für Jahr sowieso Urlaub in Tirol macht. Und schließlich brauchen auch Österreichs Boulevardzeitungen nicht um Lesestoff bangen. Königin Elizabeth wird im Mai die Bundeshauptstadt besuchen und damit einen Gegenbesuch von Franz Jonas im Jahre 1966 erwidern.

Wann Bundespräsident und Regierungschef selbst wieder auf die Reise geben, hütet das Außenministerium noch als Geheimnis.

Vorläufig sondiert Außenminister Waldheim jedenfalls das weltpolitische Terrain. Seine Nahostreise wird als Versuch interpretiert, alte Freunde Österreichs wieder ein wenig an das kleine Land an der Donau zu erinnern.

Und auch sonst sind die Weichen für reisende Regierungsmitgllieder gestellt: es wird nur dort hingefah- reni, wo etwas für Österreich konkret zu erwarten ist.

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