Lublin Pinguine - Hinter diesen Gefängnismauern in Lublin versucht man Neues. Die Aufschrift lautet: „Freiheit ist ein Zustand des Geistes.“ - © Foto: Jan Opielka

Resozialisierung in Polen: "Dem Gefängnis im Innern entkommen"

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In Polen, das sich im Umbruch befindet, gilt der Strafvollzug als restriktivster in der gesamten EU. Doch eine katholische Universität im ostpolnischen Lublin bietet den Häftlingen die Möglichkeit des Studiums. Besuch eines singulären Projekts.

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In Polen, das sich im Umbruch befindet, gilt der Strafvollzug als restriktivster in der gesamten EU. Doch eine katholische Universität im ostpolnischen Lublin bietet den Häftlingen die Möglichkeit des Studiums. Besuch eines singulären Projekts.

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Artur scheint innerlich zu brennen. Der 30-Jährige sitzt seit sieben Jahren im Gefängnis der ostpolnischen Stadt Lublin ein. Und seit fast viereinhalb Jahren studiert er hier, in der Haftanstalt, Familienwissenschaften mit der Spezialisierung "Animateur lokaler Gemeinschaften". Angeboten wird es von der Katholischen Hochschule Lublin (KUL), die in kirchlicher Trägerschaft ist.

Mit der KUL-Studentin Weronika bespricht Artur gerade einen wissenschaftlichen Artikel, der auf Basis seiner jüngst fertig verfassten Magisterarbeit entsteht und in einer Fachzeitschrift für das Strafvollzugwesen erscheinen soll. „Der Kontakt mit dem Lehrpersonal, mit Menschen außerhalb des Gefängnisses, bewirkt, dass ich mich entwickeln kann, und auch will“, sagt er anschließend. „Die Inhalte des Studiums haben mich bereichert, ich habe viele Mechanismen kennengelernt, wie Beziehungen zwischen Menschen entstehen und auch, warum ich selbst straffällig wurde.“ Vor seiner Haft hatte Artur ein Abitur an einem technisch ausgerichteten Gymnasium absolviert und sich in der Transportbranche selbstständig gemacht. Die Motivation für ein humanistisches Studium in der Haft war schlicht und klar: „Ich wollte die Jahre, die ich hier verbringen muss, nicht vergeuden.“

Einzigartiges "Studienzentrum für Häftlinge"

An der KUL, die den 2005 verstorbenen polnischen Papst Johannes Paul II. als Patron im Namen trägt, ist das Straftäterprojekt bereits vor elf Jahren angelaufen, seinerzeit mit dem Studium der Sozialarbeit, Spezialisierung: Streetworking. Ende 2022 wurde aus dem Projekt dann eine Institution: das „Studienzentrum für Häftlinge“ in der Strafanstalt der Stadt – wohl das einzige seiner Art in der EU. Der Staat schoss Mittel zum Ausbau der Räume und der Lerninfrastruktur in der Anstalt zu, ansonsten erhält die Hochschule für die derzeit etwa 50 Straftäterstudenten nicht mehr als die übliche staatliche Kopfpauschale, die ihr auch bei ihren übrigen rund 8000 Studierenden zusteht.

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