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Auf der Suche nach Klarheit

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Ein neuer Präsident im Weißen Haus — Republikaner. Bin neuer Kongreß — Demokratische Mehrheit: Wie wird die Politik der Vereinigten Staaten im Jahre 1969 aussehen?

Richard Nixon hat während der Wahlkampagne nicht allzuviel Aufschlußreiches gesagt. Für Ruhe und Ordnung und Beendigung des Vietnamkrieges dürften auch Millionen sein, die für Humphrey gestimmt haben.

Dennoch zeigt sein Sieg, vor allem, wenn man mit einiger Berechtigung die überraschend starke Stimmabgabe für die „Dritte Partei“ des Südstaatlers Wallace als Ausdruck der gleichen Tendenz — wenngleich überpointierend — begreift, daß die USA in ihrer obersten Spitze einen „Rechten“ wünscht. Daß es den Republikanern nicht gelang, den Kongreß zu erobern, liegt offensichtlich daran, daß die Repräsentanten der Einzelstaaten für Senat und Repräsentantenhaus sehr oft als Gratifikation für ihr Eintreten für — vor allem wirtschaftliche — Interessen des betreffenden Staates gewählt werden. Die Demokraten haben hier relativ gute Arbeit geleistet.

Die parteipolitische Zweiteilung zwischen Exekutive und Legislative dürfte dem Weißen Haus einige Schwierigkeiten machen. Es mehren sich die Stimmen, die den beiden Häusern des Parlaments die erste Stelle in der Formulierung außen-und innenpolitischer Aktionen zurückgewinnen wollen. Man wird abwarten müssen, wie sich das auspendelt.

Einschneidende Unterschiede zur Politik von Präsident Johnson werden sich kaum zeigen. Nur Revolutionen — in den USA nicht auf der Tagesordnung — pflegen der Regierung eines Landes ein neues Profil zu geben. Der demokratische Prozeß sieht noch immer vor, daß niemand aus der Erbmasse, der die personelle Ablösung einer Gruppe durch eine andere automatisch übernimmt, desertieren kann. Die Probleme bleiben die gleichen: nur Akzente ihrer Bewältigung (unvorhergesehene Krisen können sie natürlich „radikalisieren“!) werden neu gesetzt werden.

Sie können allerdings der amerikanischen Außen- und Innenpolitik einige neue Impulse geben, wenn im Lande öffentliche Meinung und Kongreß, im Weltmaßstab die anderen Nationen sie aufnehmen oder auch nur abwartend tolerieren.

Der Vietnamkrieg ist das amerikanische Problem. Nixon hat sich, wenn auch nur andeutend, zu einer etwas romantischen Lösung bekannt: Wie Präsident Eisenhower als Person den Koreakrieg beendete, werde er persönlich mit Vorschlägen, über die er sich ausschwieg, den Vietnamkonflikt beenden.

Gelingt ihm das, wird seine Administration für vieles andere, was er später anfaßt, eine Art Freibrief haben. Nationale Popularität und aufatmende Weltmeinung werden ihn stützen.Man muß abwarten. —

Man muß überhaupt vorsichtig sein in Voraussagen, die Nixon-Regierung betreffend. Als Kandidat hat sich der kommende Präsident der USA nicht allzu klar über seine Absichten geäußert; wir erwähnten das. Das gilt vor allem auch für die Innenpolitik. Neben den immensen Ausgaben für den Vietnamkrieg und die Weltraumforschung bietet die „neue Gesellschaft“ Johnsons mit den verschiedenen „Kampf der Armuf'-Projekten Anlaß zu Kritik, Hoffnung und — Einsparung oder Intensivierung. Gouverneur Rockefeller von New York State hat vorgeschlagen, die gesamten Wohlfahrtsausgaben, mit denen Städte und Einzelstaaten nicht zu Rande kommen, föderal neu zu organisieren, was die Finanzbürde der Zentralregierung nicht unbeträchtlich vergrößern würde; Nixon hat sich zu dem Plan nicht geäußert. Ob das mit der Tatsache zusammenhängt, daß die Berufungen für die neue Administration . einen fast ausschließlich konservativen Charakter haben, sei dahingestellt. Gewerkschafter, Repräsentanten der Minderheiten und „Liberale“ fehlen — auch die liberalen Republikaner. Die Wirtschaft ist hingegen gut vertreten, was möglicherweise Einfluß auf bestimmte Entscheidungen haben kann.

Es könnte sich z. B. bei einer etwaigen Neuformulierung des Streik-rechtes auswirken, die manchen Leuten angesichts der Lahmlegung ganzer Bezirke des öffentlichen Lebens durch Streiks z. B. in New York City angebracht erscheint. Die Parole der „Ruhe und Ordnung“ läßt sich überdies recht verschieden interpretieren: schärferes (!) Vorgehen gegen Demonstranten (in den Straßen und an den Universitäten), verschärfter „Schutz der Jugendlichen“ vor erotischer Literatur, Entliberalisierung der Behandlung von Rauschgiftsüchtigen: solche und ähnliche konservative Anliegen könnten auf gewisse offizielle Unterstützung rechnen.

Was die Außenpolitik betrifft, so zeichnen sich etwa die folgenden Probleme ab, deren Bewältigung der neuen Administration obliegen wird: Überprüfung der Auslandshilfe, insbesondere der „Alliance for Pro-greß“, die in Lateinamerika zu oft mehr Regierungen stützt als der Bevölkerung hilft; balancierte Nahostpolitik, um (möglichst gemeinsam mit der Sowjetunion!) die arabischisraelische Konfrontation zu entschärfen; schrittweise Maßnahmen zu einem produktiven Gespräch mit den Russen, wobei der niemals geleugnete grundsätzliche Antlkommu-niscnus Nixons (der u. a. dazu führt, daß er z. B. die Unterzeichnung des Sperrvertrages für Atomwaffen quasi als Strafe für das russische CSSR-Abenteuer hinauszögern möchte!) nicht unbedingt im Wege stehen muß. Die Wirtschaft hätte kaum etwas dagegen. Eine profiliertere Politik will Nixon in und für Europa machen. Ob die Rezepte der Eisenhower-Ära auch hier nützen, ist fraglich. Immerhin — von den NATO-Alliierten wird Nixon viej Goodwill entgegengebracht. Man kann heute diese und andere Fragen aufwerfen. Die Antworten stehen noch aus.

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