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Romulismus, nicht Fidelismus!

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Die einzige Spezies politischer Macht, die bis zur Vollendung und in all ihren Spielarten in Südamerika zur Entwicklung gelangt ist, ist die Diktatur. In jüngster Zeit ist jedoch ein gänzlich neuartiger Repräsentant der langen Ahnenreihe lateinamerikanischer Diktatoren auferstanden: Fidel Castro, der Alleinherrscher der Zuckerinsel Kuba. Er stürzte wohl nach altem Rezept in blutigen Guerillakämpfen den alten Diktator und gelangte so nach hergebrachter Art zur Macht. Statt aber nun den Sieg zu genießen, seine Stellung zu festigen und Reich- tiimer zu sammeln, will er nicht anfangen zu regieren, nicht aufhören zu kämpfen. Immer auf der Suche nach neuen Feinden,’ wird r auf der Kon- ferenz’von San Jose de Costarica 1960 als Unruhestifter und Förderer’ des Kommunismus verurteilt.

Fidel Castro, Linksextremist, ist natürlicher Gegenspieler des stets einen Mittelweg suchenden Präsidenten von Venezuela. Castros Wirkung auf das Volk am Karibischen Meer ist groß. Fast überall gibt es dort „Fide- listen”, in Venezuela sind es insbesondere Studenten der Universidad Central in Caracas, die mit ihren Spruchbändern ä la Castro: Venezuela si, Yanquis no, venceremos! (Wir werden siegen) Unruhe stiften. Iovito V i- laiba, der jetzige Führer der Republikanisch-Demokratischen Union, die im Dezember 1960 aus der Regierungskoalition austrat, hat mit Gustavo Machado, dem aus reichen Haus stammenden Führer der Kommunistischen Partei Venezuelas, diese Studentenbewegung in einer Vereinigung gesammelt. Die ‘ Grenzen zwischen Linkssozialisten und Kommunisten sind in Südamerika derart fließend, daß die geringe Anzahl der kommunistischen Wahlstimmen (vier Prozent) nicht als verläßliche Grundlage für die wirkliche Stärke dieser Partei dienen kann. Jedenfalls hat der venezolanische Botschafter in La Paz, Bolivien, Fidel Castro beschuldigt, „mit Geld und Waffen Revolutionen zu exportieren, die nur ein riesiges Komplott des internationalen Kommunismus darstellen”.

Perez Jimenez, der vertriebene Vorgänger Betancourts, unterhielt sehr gute Beziehungen zu der Dominikanischen Republik. Auch seine Flucht führte dahin, wo ihn schon P e r o n aus Argentinien, Batista aus Kuba erwartete. Von dort aus leitete Jimenez auch alle LImsturzversuche seiner im Lande gebliebenen Anhänger. Er findet hierbei die volle Llnter- stützung des Diktators seines Gastlandes, Dr. Rafael T r u j i 1 o. Diese Umtriebe erreichen ihren Höhepunkt in dem Bombenattentat, dem am 24. Juni 1960 der Präsident Venezuelas knapp entging, aber sein Adjutant, Oberst Ramon Perez, zum Opfer fiel.

Schuldenkrise

Diese von den Extremisten der Linken und Rechten bis fast gegen Ende 1960 immer wieder verursachten Unruhen schufen für jede wirtschaftliche Tätigkeit im Lande ein Risiko, dem zu entgehen sich das riesige Investitionskapital mit allen Kräften bemühte. Dazu kam, daß schon durch Vizeadmiral Wolgang Lärräzabal, dem siegreichen Anführer der Erhebung gegen Jimenez, der Anteil des Staates bei den Ölgesellschaften von 50 auf 60 Prozent erhöht worden war, das sind zirka 800 Millionen Dollar jährlich, 60 Prozent der Staatseinkünfte.

Eineinhalb Milliarden Staatsschulden hatte Perez Jimenez hinterlassen. Die über die Hälfte erhöhte Gewinnquote des Staates an der Petroleumindustrie schreckte vor neuen Investitionen zurück. Dem Abfließen des internationalen Fluchtkapitals .wurden keine Hindernisse entgegengesteflV obwohl nur Ängstlichkeit, nicht, begründete Besorgnis die Ursache hiervon war. Dies zeigte sich, als die Banco Union, gegen deren Zahlungsfähigkeit Gerüchte in Umlauf gesetzt worden waren, bei einem Run alle Gläubiger sofort befriedigte. Auch der Staat zahlte „wie besessen” an der Schuldenlast des Jimenez ab, dies gegen den Rat des Kontrollors der Republik, der eine Revision der Schuldverträge aus der Jimenez-Ära verlangte. Er begründete dies damit, daß viele der jetzigen Inhaber der Schulddokumente sie mit einem vierzigprozentigen Nachlaß erworben hätten, auch seien riesige Bestechungssummen in den Arbeitsverträgen verborgen.

So sah sich der Präsident der demokratischen Regierung, der ersten in Venezuela, die sich länger als ein Jahr am Ruder hatte halten können, am Ende des zweiten Jahres seiner Staats führung nicht nur von zwei Seiten von außen her angegriffen, sondern auch einer wirtschaftlichen Krise gegenüber, gegen die nun zwar spät, aber keineswegs zu spät etwas unternommen wurde.

Simon Bolivar, der Befreier, dessen Namen auch die Währung Venezuelas bezeichnet, schrieb: „Ein System extremer Demokratie wird meinen Mitbürgern nicht zum Segen, eher zum Unheil gereichen.”

Sanierung der Wirtschaft und Politik

An diese Worte des Nationalhelden mag wohl Betancourt gedacht haben, als er durch die immer wieder angestifteten subversiven Umtriebe “genötigt-wurde, Ende- November 1960 die verfassungsmäßigen Garantien zu suspendieren und mit Strenge und Hilfe der treu ergebenen Armee Ruhe und Ordnung im Lande wiederherzustellen. In seiner durch Radio und Television übertragenen Rede sagte er wörtlich: „Die Extremisten, die den Sturz der demokratischen Regierung herbeifüh’ren wollen, heißen mit Vor- und Zunamen: Kommunistische Partei und Bewegung der revolutionären Linken. Sie wollen die gleiche Regie- runssform wie in Kuba einführen.”

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