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Separatistender„BelleProvince“

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Die Ungewißheit über die politische Zukunft der vorwiegend französischsprachigen Provinz Quebec bewegt Kanadier heute wie nie vorher. Obwohl gemäß der jüngsten Übersicht 71 Prozent der Wähler gegen einen Abfall von Kanada sind, scheinen die Separatisten in jüngster Zeit an Terrain zu gewinnen. Eine Folge der bestehenden Ungewißheit ist das Absinken der Häuserpreise in Quebec, die heute um rund 15 Prozent niedriger sind als 1967, während die Preise im benachbarten Ontario im gleichen Ausmaß steigen. Während man über das Abströmen von anglokanadischem Kapital aus der frankokanadischen Provinz spricht, springen risikengewohnte Amerikaner in die Bresche und kaufen Fabriken und Grundbesitz auf — zuweilen von der Bemerkung begleitet, die Lage in Quebec sei günstiger als in. Südamerika.

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Die Ungewißheit über die politische Zukunft der vorwiegend französischsprachigen Provinz Quebec bewegt Kanadier heute wie nie vorher. Obwohl gemäß der jüngsten Übersicht 71 Prozent der Wähler gegen einen Abfall von Kanada sind, scheinen die Separatisten in jüngster Zeit an Terrain zu gewinnen. Eine Folge der bestehenden Ungewißheit ist das Absinken der Häuserpreise in Quebec, die heute um rund 15 Prozent niedriger sind als 1967, während die Preise im benachbarten Ontario im gleichen Ausmaß steigen. Während man über das Abströmen von anglokanadischem Kapital aus der frankokanadischen Provinz spricht, springen risikengewohnte Amerikaner in die Bresche und kaufen Fabriken und Grundbesitz auf — zuweilen von der Bemerkung begleitet, die Lage in Quebec sei günstiger als in. Südamerika.

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Gerard Pelletier, Secretary of State der Regierung Trudeau und einer der engsten Mitarbeiter des Premierministers, hat in New York darauf hingewiesen, daß eine Panik kanadischer ' und amerikanischer Investoren und ein Abströmen des Kapitals das beste Argument der Separatisten für die Unabhängigkeit wäre. Judy LaMarsh, Secretary of State am Kabinett Pearson, hat in ihren soeben erschienenen Memoiren behauptet, daß das französisch-sprachige Sendenetz der staatlichen Canadian Bröadoastig Corporation in die Hände der Separatisten gefallen sei. Eine fünfzehnstündige Sendung des Pariser Rundfunks, die Quebec gewidmet war, erinnerte an Judy LaMarshs Behauptung. Ein Programmdirektor der CBC (Montreal) behauptete darin, Quebec dürste nach Freiheit.

Jean Ostiguy, Präsident von Montreals Morgan, Ostiguy & Hudon, ein prominenter Finanzier, stellt fest, daß viele Kanadier handelten, als ob Quebec bereits ein zu riskantes Gebiet für Investitionen wäre. Als Beispiel erwähnte er die Aktien der Montrealer Banque Catnadienne Nationale und der Banque Provin-ciale de Canada. Vordem waren ihre Anteile im Besitz von Kanadiern im ganzen Land, nun aber sind sie Eigentum von Quebecern. Was den Zustrom neuen Kapitals betrifft, ist ein Vergleich der Montanindustrien von Quebec und Ontario bemerkenswert. Während Quebecs Montanindustrie 1968 neues Kapital in der Höhe von nur 40,4 Millionen Dollar anlockte, strömten der Montanindustrie Ontarios 211,6 Millionen Dollar zu.

Eine Reihe von Konzernen, die ursprünglich neue Werke in Quebec planten, sahen — in Anbetracht der politischen Lage — davon ab. Die Textälfirma Duplan entschied sich dafür, eine Fabrik In Hawkesbury (Ontario) zu errichten. International Telephone & Telegraph wechselte von Quebec ganz nach Ontario über. Der französische Michelin-Konzern zog eine Niederlassung in der atlantischen Küstenprovinz Nova Scotia vor, während PdCheney sich für die Vereinigten Staaten entschied.

Die letzte Übersicht gibt die Arbeitslosenzahl Quebecs mit 134.000 an. Demnach entfallen zur Zeit 40 Prozent der kanadischen Arbeitslosen auf Quebec, obwohl „La Belle Pro-vince“ nur 27 Prozent der kanadischen Arbeitsmacht stellt. Quebec hat eine Bevölkerung von fast 6,000.000. Die Zahl der Beschäftigten betrug 1968 im Durchschnitt 2,082.000. Der Ausstoß der Fabriken Quebecs repräsentierte im abgelaufenen Jahr den Wert von 11,387.000 Dollar; die Produktion der Bodenschätze erreichte den Wert von 731,373.000 Dollar.

Da die Regierungspartei Union Nationale und die liberale Opposition im Parlament Quebecs fast gleichstark sind, besteht die Gefahr, daß die Separatisten bei den kommenden Wahlen die Rolle des Züngleins an der Waage spielen können. Der Zusammenschluß der Separatistengruppen in der straff geführten Parti Quebecais — unter dem früheren liberalen Kabinettminister Rene Levesque — verstärken diese Besorgnisse. Sein großer Gegenspieler ist Ministerpräsident Pierre Elliot Trudeau, der von Ottawa aus die Quebecer überzeugen kann, daß ihre Zukunft in der kanadischen Konföderation liegt und nicht in einer unabhängigen Republik Quebec.

Rene Levesque bat behauptet, daß sowohl die Union Nationale wie die Liberalen von den anglokanadischen Finanziers der St. James Street (Montreals Wall Street) kontrolliert werden. Der Separatistenführer hat nun im französischen Rundfunk behauptet, es sei lächerlich, Paris als zweitgrößte französischsprachige Stadt der Erde zu bezeichnen: „Wir Frankokandier sind wirklich die Eingeborenen. Es ist bei,uns wie in Salisbury (Rhodesien), wo die weiße Minorität““ die schwarze Majorität ■kontrb&Merfe10 Doeh -taZ' der Fortschritte der Separatisten, ziehen es immer noch 71 Prozent der Quebecer vor, dem kanadischen Staat die Treue zu halten, kSeiltänzer“. Er stieß zwar kräftig ins chinesische Horn, warf aber gleichzeitig Ballast, indem er für „eine amerikanisch-rotchinesische Verständigung auf der Grundlage völliger Gleichberechtigung“ eintrat. Jahre hindurch war er bestrebt, mit allen Weltmächten in relativ gutem Einvernehmen zu bleiben und sich vor allem ausgiebiger amerikanischer Unterstützungen und gleichzeitig der Gunst Pekings zu erfreuen. So haben gute Asienkenner manche Hinweise, daß sich das „Tauziehen“ der Weltmächte an diesem wichtigen Schnittpunkt der Weltpolitik auch im vorbereitenden Stadium der heutigen Unruhen „hinter den Kulissen“ ausgewirkt hat.

Bei der Beurteilung der Hintergründe der gefährlichen Gärung in Pakistan scheinen aber ausländische Kommentatoren unter anderem die Tatsache zu übersehen, daß hier neben innenpolitischen, weltpolitischen und wirtschaftlichen Faktoren auch religiöse Momente eine Rolle spielen. In manchen indischen Kreisen wird seit langem Pakistan als „eine muselmaniseh-theokratische Diktatur mit halbmilitärischem Einschlag“ bezeichnet. Die vielen derzeit zersplitterten Oppositionsparteien sind bemüht, ein Alternativprogramm zu der im Grunde genommen religiös fundierten Staatsidee Ayub Khans und der von ihm geführten Moslemliga aufzustellen. Überhaupt übersieht man vielfach in westlichen Ländern die Tatsache, daß heute von geschickt operierenden Asiaten religiöse Momente geradezu als „Kampfwaffe“ eingesetzt werden. So hat zum Beispiel Rotchina nicht nur den Buddhismus in verschiedenen asiatischen Ländern in diesem Sinne eingesetzt, sondern, offen oder auch „hinter den Kulissen“, den Islam mit der Zielsetzung einer zunehmenden Einflußgewinnung in Pakistan. So begab sich zum Beispiel vor wenigen Jahren, ohne daß die Weltöffentlichkeit hievort Notiz genommen hätte, eine aus vielen Mitgliedern zusammengesetzte Delegation chinesischer Muselmanen in den im pakistanischen Bereich befindlichen Teil Kaschmirs, wo es ihr gelang, enge Kontakte und freundschaftliche Beziehungen mit pakistanischen Muselmanen herzustellen. Nach Ansicht guter Asienkenner hat also eine ganze Reihe innenpolitischer, weltpolitischer, wirtschaftlicher und religiöser Faktoren einschließlich des „Tauziehens“ großer Weltmächte auf pakistanischem Territorium die gegenwärtige, immer chaotischer werdende Lage im wichtigen weltpolitischen Schnittpunkt Pakistan herbeigeführt. Zum Teil ungewollt sei dadurch in Asien ein neuer gefährlicher Brandherd entstanden.

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