Auskünfte über Ungarn

Das schöne Bilderbuch des Wiener Verlags Schroll über Ungarn bietet eine geglückte Auswahl historischer Baudenkmäler und charakteristischer Landschaften des Nachbarlandes. Die Photographen Antal Feste-tics (Farbphotos) und Bela Grols-hammer (Schwarzweißphotos)

haben vor allem jene Motive gesucht und gefunden, die den Touristen, der Ungarn besuchen will, interessieren: Folklore, alte Architektur. Das heutige Ungarn kommt dabei zu kurz, aber dieser Mangel ist allen Reise-und Bilderbüchern, die ein fremdes Land vorstellen wollen, gemeinsam. Wenigstens nach diesen Bildern geurteilt, ist Ungarn keineswegs ein „fremdes Land“. Die historische Architektur fügt sich nahtlos in das gewohnte Bild mitteleuropäischer Kulturlandschaft, nur die Baudenkmäler lassen mehr von den Verwüstungen ahnen, welche die Schauplätze der Geschichte oft erleiden müssen, als deutsche Kirchen oder österreichische Schlösser. Gerade dieser Umstand erhöht aber den romantischen Reiz der bescheideneren ungarischen Baureste. Es sind Steine, die wirklich sprechen: von

Belagerung und Fremdherrschaft, von kargem Leben und nationalem Traum. Sie geben Nachricht von einem Land und seinen Menschen, deren Sprache sonst eher ein Hindernis als eine Brücke der Verständigung bildet.

Als bewährter Interpret unübersetzbarer Töne und Zwischentöne erweist sich auch in diesem Band György Sebestyen. Er will Ungarn vorstellen, wie es ist, und nicht, wie es nach überlieferten romantischen Klischees ausschaut. Es geht ihm um ein nüchternes, realistisches Ungarnbild, in dem die Lebensformen des städtischen Bürgertums ebenso Platz haben wie die Gestalten des Elends, die er aus seinen Erinnerungen an das Ungarn der dreißiger Jahre heraufbeschwört. Er kommt dabei zur Überzeugung, daß das Wesen des Landes trotz beachtlicher Veränderungen im Verlauf der letzten Jahrzehnte durch die politischen Ereignisse kaum berührt worden ist: „Kriege, Aufstände, Diktaturen, menschenfreundliche und menschenfeindliche Ideologien haben es nicht vermocht, den Rhythmus des Lebens, die Substanz der Lebensform, die Grundstimmung des Lebensgefühls zu andern.“

Diese Feststellung drückt Selbstverständliches aus, aber sie muß wörtlich genommen werden: Sie betrifft die Grundstimmung, die Substanz, aber nicht jene Erscheinungsformen des Lebens und jene täglichen Konfrontationen mit der Umwelt, welche wie diese ständigem Wandel unterworfen sind. Innerhalb der von Sebestyen mit Recht vorgebrachten Einschränkung ändern sich auch eine Landschaft und auch der Charakter eines Volkes ständig. Nicht zuletzt auch darüber geben Bilder und Text dieses interessanten und schönen Bandes Rechenschaft.

Ein anderer, voluminöser Band mit mehr Text und weniger Bildern ist ebenfalls dem. Thema „Ungarn, Landschaft, Geschichte und Kultur“ gewidmet. Herbert Gottschalk führt hier den Leser durch ein „Reiseland der Zukunft“. Nach dem kurzen, aber treffenden „Porträt einer Landschaft“ faßt er einige der Hauptszenen der ungarischen Geschichte in gut lesbare, vielleicht ein wenig konventionelle Berichte zusammen. Dann beginnt die Reise: Landschaften, Städte, historische Überlieferungen und Momentaufnahmen der Gegenwart folgen in der angenehmen, flüssigen Diktion des Autors aufeinander. Der Autor bewährt sich als genauer Kenner der ungarischen Geschichte, der Literatur, alter Legenden und heutiger Lebensgewohnheiten, nicht zuletzt auch von Weinen und kulinarischen Spezialitäten des Landes. Das Buch ist Ungarnreisenden als zuverläßlicher Reisebegleiter wärmstens zu empfehlen.

UNGARN. Von György Sebestyen. Verlag Anton Schroll & Co., Wien und München, 108 Sei--ten, mit 8 Farbbildern und rund 100 einfarbigen Abbildungen von Antal Festetics, Bela Grolshammer u. a., S 168.—. — UNGARN, LANDSCHAFT, GESCHICHTE UND KULTUR. Von Herbert Gottschalk. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz, 256 Seiten mit 25 Abbildungen und 3 Karten, DM 24.80.