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Das Otto-Wagner-Buch

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OTTO WAGNEB, 1841 bla 1918. Unbegremte Großstadt, Beginn der modernen Architektur. Von Hein Geretaegger nnd Max Pelntner unter Mitarbeit von Walter Flcblei. Residenj-Verlag, Saliburg, 1984. 76 Seiten, 295 Abbildunsen. Preis 440 S.

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OTTO WAGNEB, 1841 bla 1918. Unbegremte Großstadt, Beginn der modernen Architektur. Von Hein Geretaegger nnd Max Pelntner unter Mitarbeit von Walter Flcblei. Residenj-Verlag, Saliburg, 1984. 76 Seiten, 295 Abbildunsen. Preis 440 S.

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Ganz ohne Subvention hat der Residenz-Verlag einen gut ausgestatteten Wagner-Band herausgebracht; ein Wagnis, das durch Erfolg belohnt worden ist. Neben einem Vorwort von Richard J. Neutra und einem Text der Verfasser enthält er eine Biographie und einen fast 200 Seiten starken Bildteil. Dieser ist — nicht immer zwingend — nach Sachgruppen geteilt und mit höchst informativen Texten versehen. In der Kombination von alten Photographien, Zeichnungen Wagners und neuen Aufnahmen (von Dr. Josef Dapra) gelingt es dem Umbruch in mehreren Fällen, Bauwerke geradezu kinematographisch aufzuschlüsseln. Wo nur Zeichnungen zu reproduzieren und trotzdem mehrere Bilder auf einer Seite zu placieren waren, verliert der Umbruch an Präzision. Man muß dazu aber bemerken, daß die Wagner-Zeit derartiges Material mit ungeheurem Aufwand an leerem Druckpapier zu bewältigen pflegte und daß heute die Forderung, möglichst viel Material zu bringen, Jedenfalls den Vorrang hat.

Das Niveau des Textteiles wechselt außerordentlich. Höhepunkte sind Jedenfalls die Analyse des Schützenhauses am Donaukanal (S. 30) und der Versuch einer Phänomenologie des Entwerfens (S. 39). Beziehungen wie etwa auf Locke, Buddha, Thomas von Aquin sind willkürlich und meist unnötig. Einigen Bildern sind Texte von Rimbaud und Lautrea-mont beigefügt — hier treffen zweifellos Welten zusammen, die etwas miteinander zu tun haben; worin dies aber besteht, müßte in einem Buch, das davon handelt, gesagt sein.

Seit Otto Wagners Wirken sind mehr als zwei Generationen vergangen; hier kann es sich nicht — wie bei Loos — um Fortführung eines Vergangenen, sondern nur um Neuentdeckung eines Vor-Vergangenen handeln. Das Buch ist auch das Werk zweier junger Architekten. Ihre Aneignung Wagners ist schon deshalb zu untersuchen, weil sie in ihrem Text gegen Kunstgeschichte polemisieren. Abgesehen davon, daß Kritik der Kunstgeschichte ein kunstgeschichtliches Problem ist, fragt sich, was nun dieses Buch sei.

Es ist jedenfalls keine Einfühlung in Wagners Werk in dem Sinn, daß Wagners Motive nachvollzogen würden. Es gibt keine Analyse der Bewegung, die in seinem Werk vorgeht; dieses liegt vielmehr unnahbar und statisch vor uns. Eher werden Punkte aus Wagners Bauten und Texten für die eigene Argumentation herangezogen — als Bestätigung für eigenes Wollen. Aber es entsteht auch kein Bild dieses Wollens: eine Subjektivität ohne Subjekt. Und der zynisch-pessimistische Ausblick auf die Zukunft (ungefähr: Automation und Kybernetik als Garaus der Architektur) entlarvt einen gewissen Snobismus, der erkannte Qualität schon auf Grund der Kennerschaft auch für sich beansprucht.

Diese Haltung beeinträchtigt aber den Informationswert des Buches nicht; im Gegenteil: sie hat zu dem Bestreben geführt, in der Dokumentation unüberbietbar zu sein. So gibt es neben den ungewöhnlich genauen Bildtexten ein Werkverzeichnis mit einer reichhaltigen vergleichenden Zeittafel, ein minutiöses Literaturverzeichnis und einen wirklich praktisch brauchbaren Stadtplan der Wiener Wagner-Bauten. Der Erfolg dieses im ganzen vorzüglichen Buches müßte dazu ermutigen, nunmehr Wagners Gesamtwerk herauszugeben — wie es beispielsweise bei Frank Lloyd Wright annähernd geschehen ist.

Bei dieser Gelegenheit seien die Wagner-Bauten aufgezählt, denen Gefahr durch Zerstörung oder „Modernisierung“ droht: die Stationsgebäude Karlsplatz und Meidling-Hauptstraße der Stadtbahn, die Reste der Galeriestrecke am Donaukanal sowie die Stationen Burggasse und Josefstädter Straße, die als Zugänge zu den geplanten Schnellbahnstationen rechtzeitig berücksichtigt werden müssen; das Schützenhaus am Donaukanal; die Villa in der Hüttelbergstraße und die fast unbekannte Villa Hahn in Baden; ferner das Ankerhaus am Graben (siehe Bild). Hermann Czech

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