Heraus aus dem Bedeutungskäfig

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Das Museum der Moderne auf dem Salzburger Mönchsberg richtet dem vor allem als Komponisten bekannten Künstler John Cage zu dessen 100. Geburtstag im September eine Ausstellung aus, die seine unkonventionelle Auffassung von Kunst deutlich macht.

Als am letzten Samstag im Salzburger Museum der Moderne die große John-Cage-Schau eröffnet wurde, kam eine seiner Kompositionen zur Aufführung, ein Stück geschrieben für die weißen Tasten eines Spielzeugklaviers. Diese freiwillige Selbstbeschränkung brachte kein außerordentliches Musikereignis hervor, dem gebannt lauschend man sich gerne hingab, aber es verdeutlicht die Methode, die sich der für das 20. Jahrhundert so bahnbrechende Komponist zu eigen gemacht hat. Er suchte nicht das exquisite Hörerlebnis, er arbeitete an einer Ästhetik der Überraschung, die Schluss machte mit dem Erwartbaren.

Eine ständige Unruhe zeichnete ihn aus, weil er weniger an einem fertigen Ergebnis, das Gültigkeit für alle Zeit beansprucht, interessiert war, sondern Kunst als einen permanenten Prozess auffasste. Er experimentierte mit Klängen, brachte den Zufall als den eigentlichen Meisterregisseur ins Spiel und setzte allen Ehrgeiz daran, das noch Ungehörte zum Klingen zu bringen. Eigentlich könnte doch alles ganz anders sein, so lautete seine Grundauffassung, die der Kunst einen neuen Spielraum verschaffte. Gegen die Hierarchie kanonisierten Wissens setzte er eine Gleichwertigkeit, die Dinge aus gewohnten Zusammenhängen riss und sie in neuem Umfeld zu anderer Wirkung gelangen ließ.

Wechselnde unerwartete Begegnungen

Um diese Idee zu veranschaulichen, fragten die Kuratoren der Ausstellung bei Salzburger Museen nach, ihnen zwölf Objekte ihrer Wahl als Leihgabe zur Verfügung zu stellen. Im Wochenrhythmus werden die Gegenstände - ausgestopftes Raubtier und religiöse Reliquie, Schmetterlingskasten und Ölschinken - die nichts als der Zufall zusammenführt, ausgetauscht, sodass sich ständig neu unerwartete Begegnungen ergeben.

Warum aber richtet man in einem Museum für bildende Kunst einem Komponisten eine Ausstellung aus, die noch dazu alle drei Ebenen des Gebäudes in Anspruch nimmt? Cage, dem Grenzensprenger, der am 5. September hundert Jahre alt geworden wäre, wurde es im Reich der Musik allein ja bald zu eng. In jungen Jahren, schwankend zwischen seiner musikalischen und seiner bildnerischen Begabung, verschrieb er sich der Musik und beobachtete dennoch leidenschaftlich, was seine Kollegen der anderen Kunstsparten trieben. So zeigt die Ausstellung, von welchen Künstlern sich Cage beeindrucken ließ, und wie er selbst prägend wirkte auf Künstler, die in ihm einen Befreier sahen. Spät, vor allem durch Aufenthalte beim Mountain Lake Workshop Virginia in den Jahren 1988 und 1990 beflügelt, schafft Cage selbst Bilderserien von kontemplativer Gelassenheit. Am Anfang von Cages Entwicklung aber stehen so große Namen wie Paul Klee, Alexej von Jawlensky oder Marcel Duchamp, unter deren Einfluss sich seine Vorstellung von einer abstrakten Kunst herausbildete.

Gewaltiger Befreiungsschlag

Mit Cage hat etwas begonnen, was noch lange nicht an ein Ende gekommen ist - die gegenseitige Durchdringung der Künste ohne den Zwang, Bedeutung abwerfen zu müssen. Cage war nämlich ein leidenschaftlicher Spieler, hinter dessen Ernst, mit dem er seine Sache der Umdeutung der Welt betrieb, stets der Schalk saß. Er, der mit fertigen Antworten nichts anzufangen wusste, gab eine Richtung vor, in die man gehen konnte. Was einem unterwegs begegnen würde, war nicht vorhersehbar. Es genügte ihm, das Denken aus dem Käfig der Gewohnheiten herauszuführen, was der Einzelne dann damit anfangen würde, ließ er dessen Angelegenheit sein. Ein gewaltiger Befreiungsschlag ist das allemal.

John Cage und …

Bildender Künstler - Einflüsse, Anregungen

MdM Mönchsberg

bis 7. 10., Di-So 10-18 Uhr (während der Festspiele auch Mo 10-18), Mi bis 20 Uhr

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