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LEGENDE UND WIRKLICHKEIT

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Pfitzner beklagte sich in einem Vortrag über sein Werk, daß weite Kreise der Öffentlichkeit sich unter dem Namen „Palestrina” nichts vorstellen könnten; immer wieder werde von „die” Palestrina gesprochen, als handle es sich um einen weiblichen Vornamen; oder aber Palestrina werde mit Umlaut a geschrieben und gar mit dem biblischen Land Palästina verwechselt. — In Wirklichkeit handelt es sich bei dem Titelhelden um Giovanni Pierluigi da Sante, nach seinem Geburtsort Palestrina in der Nähe Roms (dem uralten Praenestre), kurz Praenestrinus oder Palestrina genannt.

Das Geburtsjahr ist unbekannt, die Angaben schwanken zwischen 1514 und 1525. Sicher ist nur sein Todestag, der 2. Februar 1594. Während seiner Lebenszeit regierten 15 Päpste in Rom. Palestrina hatte die verschiedensten Stellungen an mehreren Kirchen inne. In seiner Vaterstadt war er schon mit 19 Jahren als Lehrer der Singknaben und als Chordirigent tätig. Später war er Kapellmeister an der Peterskirche in Rom, am Lateran und in der Kirche Santa Maria Maggiore. Mit 22 Jahren heiratete er eine gewisse Lukretia. Sein Verheiratetsein kostete ihn 1555 die Stellung als Sänger in der päpstlichen Kapelle, denn der reformstrenge Papst Paul IV. duldete zur zölibatäre Kleriker als Sänger.

Die Oper Palestrina ist Pfitzners Hauptwerk und ein Abbild seines eigenen Kunstglaubens. Darum hat Pfitzner auch selbst die Textgestaltung durchgeführt. Er sieht in Giovanni Palestrina den Gegner einer kunstfeindlichen Welt, die bereit war, Meisterwerke der Musik zu opfern. Ja, Palestrina wird zum Vertreter der Kunst schlechthin, der jenes Musikwerk schrieb, das die Rettung der Kunst brachte.

Hans Pfitzner erklärt, beeinflußt von der Philosophie Arthur Schopenhauers, was er mit seiner Palestrina-Dich- tung zeigen wollte: Über dem realen, vom Willen geführten Leben der Völker schwebt wie ein ätherischer Hauch das intellektuelle Leben der Menschheit, das in der fortschreitenden Erkenntnis mittels der Wissenschaften und in der Vervollkommnung der Künste besteht. Diese Weltanschauung bietet einen Wegweiser zum Verständnis der tieferen Absichten, die der Dichter-Komponist mit seinem Werk verfolgt, denn „neben der Weltgeschichte geht schuldlos nicht blutbefleckt die Geschichte der Philosophie, der Wissenschaft und der Künste”.

Schopenhauers Kunstlehre wurde für Pfitzners Leben richtunggebend. Ein Schlüssel zum Verständnis Pfitznerscher Werke in Schopenhauers Forderung nach Entsinnlichung der Kunst. Darin ist er zutiefst Romantiker, „wenn er das ,bloß’ Schöne als das ohne Kampf gewonnene Erkennen nimmt und ihm das .Erhabene überordnet”. Der Gegensatz zum Erhabenen ist das sinnlich Reizende, das in der Kunst zu vermeiden sei. Doch schön vor allem ist der Mensch und höchstes’ Ziel der Kunst die Offenbarung seines Wesens. Daher steht der Mensch Palestrina im Mittelpunkt der musikalischen Legende, und das dramatische Geschehen entwickelt sich aus dem inneren Wunsch dieses Menschen. Von da her wird auch die Wahl des Themas verständlich, denn die Musik Palestrinas ist entsinnlichte Kunst. — Pfitzner schreibt:

„Als ich mich eingehender mit dieser Periode der Musikentwicklung befaßte, stellte sich mir die Erscheinung Palestrinas in geheimnisvollem Lichte dar. Meine Vision war etwa diese: Da sitzt ein Mann in Rom, verläßt den Ort, wo er wirkt, sein ganzes Leben lang nicht. Er tut nichts weiter als seiner Kunst dienen, seine Begabung aufs Höchste ausbilden, nur arbeiten und arbeiten Je nach Laune und Beschaffenheit der gerade regierenden Päpste bald gnädig, bald ungnädig behandelt, lebt dieses große Genie, still und prunklos von nichts belohnt, als dem Gefühl seines Wertes, im Dunkeln. Da, auf einmal fällt auf ihn ein blendendes Licht, er steht sozusagen in welthistorischer Beleuchtung da. Folgendes Ereignis tritt an ihn heran: das, was einige Jahrhunderte lang die größten Künstler einer Kulturwelt nacheinander aufgebaut haben, eine ganze Kunstentwicklung: der vielstimmige Musikstil, droht vernichtet zu werden. Die unkünstlerische Welt ist im Begriff, die zahllosen Meisterwerke niederzustampfen und der ewigen Vergessenheit anheim zu geben. Da ergeht an ihn, Palestrina, der Ruf: Rette die Musik! Es ist ihm, als streckten sich die Hände seiner Vorgänger aus dem Grabe und riefen ihn an: Du, der Du von unserem Geiste bist, rette unsere Werke! Und siehe da, nun lohnt sich sein Leben, seine stete Arbeit in der Stille: er ist bereit! Die große Stunde findet ihn groß, er schreibt das Werk, das die Rettung bringt. Eine geistige Herkulestat wird vollbracht, das schwerste gelingt: auf Machtgebot Schönheit zu erzeugen.”

Zwei Welten haben als Faktoren der Handlung gegeneinander ins Spiel zu kommen: die eine, „äußerliche” mit ihrem lauten und wilden Getriebe und die andere stille, innerliche, die im Herzen des schöpferischen Menschen die Ewigkeit sucht.

„So sah ich denn eine Art Triptichon als Form: einen ersten und dritten Akt für die eigentliche Palestrina-Welt, und in der Mitte das Bild des bewegten Treibens der Außenwelt, die dem stillen Schaffen des Genies immer feindlich ist. Dieses konnte nur das Konzil sein, der Ausgangspunkt der kunstfeindlichen Beschlüsse.” Pfitzner läßt die Trienter Kirchenversammlung in einem blutigen Tumult enden. Diese hochdramatische Abweichung von den historischen Tatsachen soll die reine und schuldlose Wahrheit der Idee kontrapunktisch von der blutbefleckten „Weltgeschichte” abheben.

Im Leiden des einzelnen wird der Punkt erreicht, wo die Welt der Erscheinungen nicht mehr täuscht. Der Konflikt Palestrinas ist tragisch auf gefaßt im Sinne Calderons: Er büßt nicht eigene Schuld ab, sondern die Erbsünde, die Schuld des Daseins selbst. Sein Leid wird herbeigeführt durch die Macht der Verhältnisse.

Die Haupthandlung: Bei Pfitzner tritt uns Palestrina als ein älterer resignierter Mann entgegen, dem verschiedene Schicksalsschläge, vor allem die Entlassung aus der Schar der päpstlichen Sänger und der Tod seiner geliebten Gattin Lukretia, alle Schaffensfreude genommen haben. In dieser Situation trifft ihn der Auftrag, auf Wunsch von Kaiser und Papst als Probestück eine Messe zu komponieren, wodurch die auf dem Konzil von Trient erwogene Abschaffung der modernen Figuralmusik verhindert werden solle.

Der Meister fühlt sich außerstande, das Werk zu schaffen. Sein Schaffenswille wird erst geweckt durch die Vision der verstorbenen Meister der Tonkunst, die ihn mahnen, „sein Erdenpensum zu vollenden” und „den letzten Stein in die schimmernde Kette” zu fügen. Kardinal Borromeo läßt den Meister wegen der Verweigerung des Auftrages ins Inquisitionsgefängnis werfen. Nachdem aber das vollendete Werk vor Prälaten und Papst aufgeführt wurde, erscheint der Papst persönlich bei Palestrina und spricht die historisch verbürgten Worte: „Das sind die Harmonien des neuen Gesanges, welchen der Apostel Johannes aus dem himmlischen Jerusalem tönen hörte, und welchen Uns ein irdischer Johannes im irdischen Jerusalem hören läßt.” Borromeo fällt reuig dem verkannten Meister zu Füßen, Palestrina hat den inneren Frieden gefunden.

Beim Trienter Konzil wurde zweimal über die Kirchenmusik verhandelt. Zuerst in der 22. Session vom 17. September 1562. Es wurde nur sehr allgemein verlangt, daß bei den Meßgesängen Unreines und Laszives ausgeschlossen sein soll und die Worte des Textes immer verständlich bleiben müßten. — Während der 24. Sitzung des Konzils wurde das Problem der Kirchenmusik nochmals eingehender behandelt. Kardinal Morone hatte dem in Innsbruck weilenden Kaiser Ferdinand 42 Reformcanons übersenden lassen. Im Antwortschreiben vom 23. August 1563 findet es durchaus nicht den Beifall des Kaisers, daß die Figuralmusik aus dem Kirchenraum völlig verbannt werden solle, „weil doch aus großer Meister Zeit das wohlerfundene Alte so oft den Geist der Frömmigkeit erwecke und erhalte”.

Die Frage wurde nachhher auf dem Konzil selbst nicht mehr behandelt, sondern man beschloß, die Reform der Musik dem Papst und den einzelnen Bischöfen zu überlassen. Erst nach Schluß des Trienter Konzils wurde von Papst Pius IV. am 2. August 1564 eine Kardinalskongregation unter dem Vorsitz von Carlo Borromeo zur Fassung detailierter Beschlüsse für den römischen Diözesanbereich ernannt. Es ist historisch unsicher, ob an Palestrina ein präzis formulierter Auftrag zu Einreichung einer Meßkomposition ergangen ist zwecks Rettung der Figuralmusik. Richtig ist vielmehr, daß am 19. Juni 1565 bei einem von Kardinal Borromeo zelebrierten Hochamt vor Pius IV. die „ „Missa JBapae, Marcelü”.. w n. Ralastrina zu, Gehör , gebracht wurde, anläßlich der der Papst den bereits zitierten Aus- sprtich’’ge äiiil(15Stte/PiuS IV; nannte daraufhin Palestrina zum Komponisten der päpstlichen Kapelle. 1571 wurde er zum zweitenmal Kapellmeister von St. Peter und behielt dieses Amt bis zu seinem Tod. Den Titel „Fürst der Musik”, der sein Epitaph im Petersdom ziert, hat ihm erst Papst Gregor XIII. 1584 verliehen.

Um den Gegensatz zwischen der Welt des reinen Geistes und der Wirklichkeit schärfer zu kontrastieren, hat Pfitzner die Mission des Kardinal Borromeo in die Konzilszeit vorverlegt und die Einkerkerung Palestrinas frei erfunden. Die dramatische Rechtfertigung des 2. Aktes der Oper liegt hauptsächlich bei der Person des Kardinals, der als Bindeglied notwendig ist, wenn er auch entgegen der historischen Wahrheit in Trient auftritt. Borromeo war Kardinalstaatssekretär, welcher von Rom aus den Verkehr zwischen Papst und Konzil in Händen hielt.

Zum Verständnis des Pfitznerschen Opus ist weiter die Erkenntnis wichtig, daß keine Handlungs-, sondern eine Situationsdramatik vorliegt, welche nicht Ablauf des Geschehens, sondern im Sein der Dinge begründet ist, eben in dem Gegensatz der beiden Welten.

Der zweite Akt der Oper führt die historische Generalkongregation vom 2. Dezember 1563 vor Augen. Es war die letzte, welche der Schlußsitzung vom 3. und 4. Dezember 1563 vorausging. Die Konzilspraxis in Trient war folgende: Auf den sogenannten Kongregationen (sie fanden im Hauptschiff der eben damals fertiggestellten Kirche Santa Maria Maggiore in Trient statt) wurden die Fragen diskutiert, während bei den großen Konzilssessionen im Trienter Dom die fertigen Dekrete mehr oder weniger nur verlesen und zur Abstimmung gebracht wurden.

Pfitzners Absicht ist es, die geistigen Strömungen der ganzen letzten Konzilsperiode von 1562 bis 1563 aufzuzeigen. Er wollte nicht ein dramatisiertes historisches Gemälde des Konzils entwerfen. Ihm ging es im zweiten Akt darum, auf Grund genauer viel jähriger Studien über das Trienter Konzil, eine Charakterisierung der historischen Gesamtsituation zu bieten. Trotzdem bleibt der Leitgedanke auch hier die Gegenüberstellung der „reinen Welt der Ideen” und der „unvollkommenen sichtbaren Außenwelt”, was notwendigerweise dazu führte, daß das weltliche Treiben, also die negativen Züge, bevorzugt herausgestellt werden. Für die Textgestaltung hat Pfitzner die beiden umfangreichsten Werke studiert. Das eine hat der romfeindliche Servitenmönch Paul Sarpi 1619, das andere der kurientreue Jesuit Sforza Pallavicini 1656 geschrieben.

Wegen der letzten Tumultszene wählte Pfitzner als Ort der Handlung im 2. Akt nicht das Kircheninnere, sondern eine auf die Straße zu offene Säulenhalle. Zu dem in betont katholischen Kreisen mitunter Befremden erregenden Aktschluß mit der Rauferei ist zu sagen, daß sich solche tatsächlich in der Zeit zwischen dem 8. und 16. März 1563 zugetragen haben. Die Spanier und die Italiener sammelten sich unter dem Losungswort „hie Spanien — hie Italien” des öfteren in den Gassen und Straßen von Trient, und es kam nach anfänglichen Faustkämpfen am 12. März 1563 zu einer förmlichen Schlacht mit Toten und Verwundeten, die vom Stadthauptmann dadurch beendet wurde, daß dieser die Sturmglocken läuten ließ und die Bürgerschaft bewaff nete. Endgültig wurde die Ruhe erst wiederhergestellt, als der aus Innsbruck zurückgekehrte Fürstbischof Madrutsch mit Landesverweisung drohte.

Wie bereits angedeutet, wurde von einzelnen das Palestrina- Libretto des Protestanten Pfitzner, besonders der zweite Akt, angefeindet. Ihnen gegenüber rechtfertigt sich Pfitzner mit folgendem Erlebnis: „Einige Zeit nach der Münchner Uraufführung ließ mir ein Graf S., Päpstlicher Geheimkämmerer, ausrichten, ich möchte ihn besuchen. Ich dachte schon, der zweite Akt hätte sein Mißfallen erregt und ich sollte

Das Tridentiner Konzil nun auf päpstlichen Befehl am Marienplatz in München verbrannt wenden. Ich ging trotzdem hin und wunde sehr freundlich empfangen. Der Graf sprach sich äußerst lobend speziell über den zweiten Akt aus und fragte mich, ob ich in Rom schon irgendeiner Kirchenvensammlung beigewohnt hätte, weil das alles so richtig gesehen und gestaltet sei.”

Es ist ein guter Gedanke, daß Pfitzner den Patriarchen von Musal (im östlichen Assyrien) Abd Issu in Trient auftreten läßt, der wie ein großes Kind mit den Zügen entwaffnender Naivität und rührender Glaubensseligkeit, ausgestattet ist. Er ist mit der musilcalisch ■.sphöpsteit? Stelle des 2. Aktes bedacht, und j irdi dedupphunöth mehr--- her- x vorgehoben. In Wirklichkeit war er nicht in Trient, sondern ist auf seiner Reise nur bis Rom gekommen.

Der Komiker des Konzils ist Antonio Chiurelia, der Bischof von Budua (das heutige Budva in Montenegro), Pfitzner schreibt allerdings Budoja und läßt ihn einen italienischen Bischof sein. Geschichtlich ist über diesen Bischof folgendes überliefert: Nach Sarpi (7. Buch, S. 532) hatte er die Gewohnheit, die Konzilsväter durch Scherze und burleske Prophezeiungen zu unterhalten; eine Prophe zeiung bei Isaias, durch die mehreren Städten großes Unglück und Kummer vorhergesagt wird, wendete der Bischof auf die Stadt Trient an, welche auserwählt gewesen, die Eintracht der Christenheit wiederherzustellen, aber durch ihre Ungastlichkeit unwürdig sei. In einer Sitzung vom 31. Jänner 1563 machte er. im Hinblick auf die Uneinigkeit der Fürsten mit Bezug auf die bekannte Bibelstelle beim Tod Christi folgenden Ausspruch: Es sei zu befürchten, daß das Konzil mit geneigtem Haupt den Geist aufgäbe. Pfitzner stattet diesen Bischof bewußt mit Humor und Pfiffigkeit aus.

Ercole Severolus, dem Pfitzner eine der dankbarsten Gesarigspartien geschrieben hat, war, in Wirklichkeit weder Bischof noch Zeremonienmeister, sondern Prokurator des Konzils und ein verheirateter Laie. Seinen ausführlichen Tagebüchern verdankt die Geschichte wichtige und aufschlußreiche Details über den Ablauf des Konzils.

In der Gestalt des Kardinals Carlo Borromeo hat man den größten Gegenspieler Palestrinas zu sehen. Er war der Neffe Papst Pius IV. und wurde bereits mit 22 Jahren sein Kardinalstaatssekretär. Pfitzner zeichnet ihn aus Gründen des Zusammenspiels mit Palestrina wesentlich älter, als einen Mann zwischen 40 und 50 Jahren, obwohl er im Konzilsjahre 1563 erst 25 Jahre alt war. Aus dramaturgischen Gründen, um zur resignierten Haltung Palestrinas das entgegengesetzte Extrem zu haben, verleiht der Dichter ihm im Vergleich zum geschichtlichen Urbild leidenschaftlichfanatische und harte Charakterzüge. Aber die ausgezeichneten geistigen und moralischen Eigenschaften des später heiliggesprochenen Mannes kommen auch in der überaus feinsinnigen und durchgearbeiteten Charakterisierung bei Pfitzner genügend zur Geltung, so daß der historischen Wahrheit auch hier wieder Genüge getan wird.

Vergleicht man nun die Historie mit der Dichtung, so erkennt man, daß Pfitzner aus der äußeren Geschichte alles das in seine Dichtung einbezogen hat, was der Darstellung der inneren Wahrheit zustatten kommt. Der Umstand, daß Pfitzner die ganze Handlung wegen der Gegenüberstellung zunj Konzil von Trient auf die kurze Zeitspanne der Monate November und Dezember 1563 zusammendrängen muß, nötigt ihn, alles Wichtige in diese Zeit hineinzuverlegen. Dies gilt vor allem für den Tod der Lukretia, die erst 1580 starb, dessentwegen Palestrina dem musikalischen Schaffen völlig entsagen wollte. Jenen sympathischen Zug, der uns Palestrina menschlich so nahe bringt, wollte Pfitzner auf keinen Fall missen. Er gehört auch wesentlich zur inneren Wahrheit.

Bei der Beurteilung des Stils der Musik Pfitzners tauchen oft Ausdrücke wie „archaisch”, „asketisch” auf, und der von Pfitzner entdeckte „lineare Kontrapunkt” wurde festgestellt. Pfitzner selbst sagt darüber:

„Der Stoff des Werkes brachte es natürlich mit sich, daß die Musik, um das 16. Jahrhundert dem Hörer nahezubringen, in vielen Teilen gewissermaßen archaischen, das heißt altertümlich stilisierenden Charakter annehmen mußte. Desgleichen mußte der Held, der, besonders am Ausgang des Werkes, eine entsagende, stille Haltung einnimmt, ja nach allen seinen seelischen und geistigen, menschlichen und übermenschlichen Erlebnissen der Askese zuzustreben scheint, mH Tönen’ atis dieser Sphäre’! umkleidet werden.” i.mirisu9tnto. nsMtoeigwiij ■■ wlaßwaS Rudolf Kriss meinte, daß Pfitzner eine befriedigende Synthese schuf zwischen künstlerischer Notwendigkeit und historischer Verantwortung, und zwar produktiv von innen gesehen. Ich möchte dazu noch einen weiteren Gedanken fügen: den der Versöhnung. Palestrina hat die Versöhnung von Neu und Alt künstlerisch bewältigt, was den streitenden Konzilsvätern nicht gelungen ist. In der Welt des Intellekts ist also ein Werk zustande gebracht worden, das der Welt der Empirie, der Realität noch lange Vorbehalten blieb.

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