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Sein und Sendung der Heiligen

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Ein allen wissenschaftlichen Anforderungen genügendes modernes Heiligenlexikon gibt es nicht. Ein solches könnte wohl nur durch Zusammenarbeit internationaler Fachleute herausgebracht werden. Nun sind in Oesterreich fast gleichzeitig zwei Heiligenverzeichnisse erschienen. Das eine von Pfarrer Otto W i m m e r, „Handbuch der Namen und Heiligen“ (Tyrolia-Verlag, Innsbruck, 560 Seiten, Preis 96 S), urtd: das andere von Frau Maria K r e i t rt e r, „Heilige um uns“ (Universum-Verlag, Wien, 382 Seiten). Witnmers Buch, dem Erzbischof DDr. F. König ein Vorwort geschrieben hat, ■ bespricht ungefähr lipo. Heilige- Kteiwer verzichtet auf eine kirchliche Druckerlaubnis, und- bringt .gegen .550 Namen. Wirn-mer bringt auch eine Geschichte des Kalendariums und will den Kalendermachern, Familien und Seelsorgern für die Wahl christlicher Taufnamen ein Hilfsbuch geben und dazu dem christlichen Volk, besonders. der Jugend, ein Nachschlagewerk, das;, „über'die Wesenszüge'der Heiligen'' 'kurz unterrichten soll. Kreitner orientiert über die Lebensdaten der Heiligen, die mit Vorliebe als Vornamen gewählt werden, einschließlich der vorchristlichen • „Heiligen“ des Alten Testamentes. Wimmer scheidet überall wohltuend zwischen Geschichte und Legende. Kreitner bringt gern ziemlich ausführlich auch legendäre Züge aus dem Leben der Heiligen, wahrscheinlich um das Verstehen ihrer Attribute und Patronate zu erleichtern. Literaturangaben fehlen bei Kreitner, Wimmer zitiert, die neueren Monographien. Er scheidet konsequent alle Namen aus, deren Träger keine Heiligen oder Seligen waren, zum Beispiel Gisela, Helmut, Horst, Ingeborg, Manfred, Roswitha, Sigrun, Tasso. Kreitner nimmt auch Namen auf, die zu unrecht in einem katholischen Heiligenkalender stehen; wie' Alfred, Christian, Ingrid, Karl der Große, Konstantin, Rudolf von Bern. Von den im 19; und 20. Jahrhundert Selig- und Heiliggesprochenen führt Wimmer 75, .Kreitner 16 auf. Nicht angeführt sind zum Beispiel Johann von Oisterwijk, Ketillus (Kjeld) von Viborg, Laurentius von Dublin, Petrus Arbues, Theotonius von Coimbra, Warin von Palästrina. Sehr wertvoll sind bei Wimmer die beigegebenen Müsterkalendarien ' und die' Verzeichnisse der behandelten Heiligen, der Nicht-Heiligen, der Heiligen nach Ländern und Völkern sowie der Attribute und Patronate der besprochenen Heiligen. Gerne unterstreicht man, was am Buchumschlag zu lesen ist: „Seelsorger, Künstler, Beamte der Standesämter, Kalendermacher, an der Liturgie und Ikonographie interessierte Laien werden nach diesem Buch greifen!“ Kreitner hat für ihre „Heiligen“ auch ein Verzeichnis der Attribute und Patronate. Ungenügend ist ihr Verzeichnis der Ordenstrachten, in dem alle weiblichen Religiösen Nonnen und alle männlichen Mönche genannt werden, auch die Jesuiten, Prämonstratenser und Theatiner! Das Verzeichnis der erklärten Fremdwörter ist recht unzulänglich. Die Chorherren zum Beispiel werden definiert als „weltliche Priester, die nach einer Ordensregel leben“!

Während es bei Wimmer und Kreitner um das Sein der Heiligen geht, wird bei einem der letzten Bücher Paul C 1 a u d e 1 s, „Heilige unserer Zeit“ (Benzinger-Verlag, 'Einsiedeln. 152 Seiten, Preis 8.90 sfrs.t. nach ihrer Sendung gefragt. Daß sie eine geschichtliche Sendung haben, kann nicht unbeachtet bleiben bei großen Heiligengestalten, wie Benedikt von Nursia, Gregor dem Großen, Gregor VII., Bernhard von Clairvaux, Franz von Assisi, Ignatius von Loyola, Vinzenz von Paul, Johannes Bosco und Arnold Janssen. Claudel versucht die Sendune dreier Gestalten unserer Tage zu deuten: des Saharapriesters Charles de Foucauld, der Karmeliterin Therese von Lisjeux und der Künstler-Büßerin Eve Lavalliere. Gleichsam als Sendungsdevise stellt er der Reihe nach an die,Spitze seiner Betrachtungen die ersten Vaterunserbitten: Dein Reich komme! Dein Wille geschehe! Dein Name werde geheiligt! Das Büchlein ist keine leichte Alltagslektüre. Man wird gezwungen, dabei etwas zu denken oder das Lesen zu lassen. Wer den Dichter sucht, findet einen Missionär. Wer einen Philosophen zu lesen glaubt, wird gewahr, daß ein Theologe zu ihm spricht. Wer einen Exegeten des Gotteswortes vor sich zu haben meint, wird bald den Interpreten des, 'Gotteswerkej entdecken. Dem modernen Nein zu Gott steht das Ja der Sahara gegenüber. Dem modernen -Individualismus, mit .seinen Konflikten zwischen Ich und Wir klingt die Haltung des „Ecce ancilla Domini“ entgegen. Und gegen die moderne Höllenleugnung steht die Höllenfurcht auf, die sich auswächst zu einer so, gewaltigen heiligen Gottesfurcht, daß die Büßerin sich nicht für würdig hält, den Namen Gottes zu nennen, und für ihre Grabschrift die Worte wählt: „Du, der Du mich erschaffen, erbarme Dich meiner!“'

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