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Ungarns Kirche treu im Glauben

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Wenn am 20. August 1970 die Katholiken Ungarns den 1000. Geburtstag Stephans des Heiligen begehen und nach zwanzigjähriger Unterbrechung wieder an der Spitze einer feierlichen Prozession auf der Burg von Buda die einbalsamierte Rechte des ersten ungarischen Königs verehrt wird, wird kaum ein Gläubiger des Magyarenlandes in seinen Gedanken beim antiklerikalen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ verweilen. Sagte doch diese pseudo-theologisch agierende Revue den Katholiken rund um die heilige Stephanskrone ob ihrer „Antiquiertheit“, ihrer „reaktionären Gesinnung“ und ihres „Konservativismus“ nicht nur den Beifall stalinistischer Staatsfunktionäre, sondern auch das baldige Aussterben voraus.

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Wenn am 20. August 1970 die Katholiken Ungarns den 1000. Geburtstag Stephans des Heiligen begehen und nach zwanzigjähriger Unterbrechung wieder an der Spitze einer feierlichen Prozession auf der Burg von Buda die einbalsamierte Rechte des ersten ungarischen Königs verehrt wird, wird kaum ein Gläubiger des Magyarenlandes in seinen Gedanken beim antiklerikalen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ verweilen. Sagte doch diese pseudo-theologisch agierende Revue den Katholiken rund um die heilige Stephanskrone ob ihrer „Antiquiertheit“, ihrer „reaktionären Gesinnung“ und ihres „Konservativismus“ nicht nur den Beifall stalinistischer Staatsfunktionäre, sondern auch das baldige Aussterben voraus.

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Freilich, was sich an Glaubenszersetzung und linksgedrallter Selbstpreisgabe in den geistlichen Gefilden zwischen Amsterdam, Münster und Wien breitmacht, hat im religiösen Beharrungskampf magyarischer Landpfarrer und Kirchenfürsten nicht Wurzel geschlagen. „Ungarns Oberhirten verharren treu zum Papst.“ Das versicherte eine Gruppe junger Katholiken dem Kommentator, der am Abend des „Arbeitsfeiertages“ Fronleichnam um 17.15 Uhr die sakramentale Andacht am Hochaltar der Krönungskathedrale auf der Fischerbastei besuchte. Und mit den Bischöfen harren die Pfarrer aus, die um ein paar hundert Forint und der Aufzucht kleinen Hausgetiers ihr Leben am Rand der Pußta fristen. Und mit den Kaplänen und Vikaren beten und opfern nicht nur die guten alten Großmütter und Väter, sondern ebenso die Elektro-mechaniker, die Autoschlosser, die Kolchos-Vorarbeiter, die das Heil des Herrn nie in Freiheit, sondern nur im Ghetto der Sakristeien eines gottlosen Staatsregimes erfuhren, weil sie jung sind.

Am zweiten Sonntag im April, dem Fest des heiligen Leo, votierte Ungarns Episkopat einmütig für den Zölibat, „in der alten, von den Kirchenvätern schon immer festgesetzten und praktizierten Form“. Schriftlich stellte sich auch der seit einem Dezennium unter Hausarrest stehende Bischof Dr. Badalik auf die Seite des Papstes.

Der „Dialog nützlicher Idioten“, wie ungarische Glaubenskämpfer in leninistischer Terminologie die katholisch-westlichen Gespräche mit ostmarxistischen Religionsexperten zu bezeichnen pflegen, ist freilich nicht die Basis für die Präsenz der katholischen Christenheit in einem neuheidnischen Ungarland. Ungarns Bischöfe taktieren nach dem altbewährten Rezept konkordatärer Verträge, das durch den Verhandlungserfolg des vatikanischen Unterstaatssekretärs Msgr. Agostino Casaroli bei dem magyarischen Kirchenminister Jözsef Prantner — weder verwandt noch mit dem Autor bekannt — Beglaubigung gefunden hat. Jözsef Prantner, 59 Jahre alt und Donauschwabe, einst Maurer, ist heute „Chef des Amtes für Kirchenwesen“, zwar illegaler Kommunist von Jugend an und Parteisekretär des Komitats Tolna in Südungarn. Nach der sprichwörtlichen Salamitaktik, nur diesmal mit christlichem Akzent, vermochten Ungarns Bischöfe dem Staatsmar-xismus Zugeständnis um Zugeständnis abzuringen. Parteikirchenchef Jözsef Prantner schränkte die Verfolgung ein, bremste die atheistische Propaganda der Partei, milderte den Hausarrest infulierter Würdenträger, setzte gefangene Priester frei und erhöhte die Staatszuschüsse für Kirchenbau und Klerus. Kolonnen von Facharbeitern renovierten das Erzbischöfliche Palais von Kalosza, die Heiligtümer im Burgviertel von Buda wurden erneuert, die romanische Kirche in Felsöörs am Plattensee — übrigens Ungarns ältestem Gotteshaus —, der Dom von Fünfkirchen und die Abtei von Pannon-halma restauriert. Paramente, liturgische Geräte konnten adaptiert oder neu erworben werden. Sicherlich nimmt die Zahl der Schüler, die sich unter Kontrolle der KPU freiwillig zum Religionsunterricht melden, ab: Im Schuljahr 1968/69 waren es noch 17 Prozent, im Schuljahr 1969/70 sind es nur noch 11 Prozent. Doch Prantners Rechnung stimmt nicht: Was er an Symptomen der Versteinerung, der Verkrustung, der Unzeitgemäßheit wahrzunehmen meinte, ist die Schutzwehr der Christen, wie sie schon Paulus bezeichnete; der Helm des Heiles, der Panzer der Gerechtigkeit, das Schwert des Glaubens. Treu zum Lehrgut des Credo erheben bekennend Ungarns Christen in der Verschwiegenheit ihr Herz zu Rom. Und hüten ihren guten Hausverstand, der sie vor Allianzen mit dem Bösen bewahrt.

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