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Vedute oder Landschaftsbild ?

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Zwei Ausstellungen landschaftlicher Aquarelle geben den äußeren Anlaß dazu, einmal über die Probleme neuzeitlicher Landschaftskunst ‘Wesentliches zu sagen, weil gerade dieses künstlerische Gebiet in der Malerei" der Gegenwart einen besonders großen Raum für sich in Anspruch nimmt. Im Kulturamt der Stadt Wien (Neues Rathaus) sind derzeit Landschaftsaquarelle Paul P a s s i n i s zu sehen, während in der „Agathon- Galerie“ Graphiken und Aquarelle des Wieners Karl B e d n a r i k in einer interessanten Schau ausgestellt sind.

Während die Landschaften früherer Zeiten durchwegs komponierte Bilder darstellen, aufgebaut auf einem reichen Material von Studienblättern, hat sich seit dem Impressionismus immer mehr und mehr die Gepflogenheit eingestellt, die Natur bloß nachzumalen, ihren äußerlichen Eindruck festzuhalten, ohne ihn geistig und künstlerisch wirklich zu verarbeiten. Man blieb in der Impression stecken und errang damit zweifellos Erfolge, die aber nur dem malerischen Vortrag zu verdanken waren., nicht ihrem künstlerischen Inhalte, da ihnen ja das Schöpferische mangeln mußte.

Als natürliche Reaktion gegen diese rein auf .

dem optischen Eindruck beruhende Ländschafts- malerei setzte das Bestreben ein, den „Naturabklatsch" zu verfemen und alles zu vermeiden, das auch nur im entferntesten den Verdacht der Naturtreue erwecken konnte. Aber auch diese expressive Landschaftsmalerei, deren Hauptgewicht auf dem Bildaufbau lag, mußte scheitern, sobald sie sich in intellektuellen Spielereien verlor und nicht mehr aus dem innersten Empfinden des Künstlers heraus gestaltete. Die Natur ist so gewaltig, daß sie sich nicht vergewaltigen läßt. Es kommt nicht darauf am sie im Bilde mit photo- 1 graphischer Treue festzuhalten, weil sie dann immer nur ein schwächlicher Abklatsch göttlicher Schöpfung wäre, sondern darauf, sich in sie hineinzufühlen, von ihr ergriffen zu werden und dieses Ergriffensein bildhaft zu gestalten.

Paul P a s s i n i kommt in einigen seiner österreichischen Landschaftsaquarelle dieser Forderung nahe, obwohl er oft im Vedutenhaften steckenbleibt, wo ihm der landschaftliche Vordergrund zur Kulisse wird, die sich vor das Naturerlebnis stellt. In manchen seiner Blätter, wie in der großen Perchtoldsdorfer Landschaft, ist ihm der Bildaufbau vorzüglich gelungen, glückt ihm der Schritt vom bloßen Nachmalen zur schöpferischen Gestaltung.

Karl Bednar ik ist viel freier und gelöster in der malerischen Technik und in der Bild-

gestaltung. Es ist kein Zufall, daß er seine Motive zumeist der Peripherie der Großstadt entnimmt, die durch das Anstürmen städtischer Bauten gegen die Naturlandschaft gekennzeichnet- ist. Dieser Kampf zweier Extreme beschwingt den Rhythmus seiner Bilder, erhöht die Leucht, kraft seiner Palette und bewahrt ihn vor allem Süßlichen und Theatralischen. Selbst dort, wo sich seine Aquarelle irgendwie der Vedute nähern, wie in dem packenden Bilde des Rathausplatzes, das er von einem Balkon des Rathauses au gemalt hat, löst er die Naturwiedergabe nidjc als Nachmaler, sondern als schöpferischer Gesßdj. ter, der die große Weite des Platzes kompositorisch zusammenfaßt und rhythmisch gliedert.

Sehr reizvoll und eigenartig ist Bednartks Zyklus „Mutterliebe“, sehr lebendig sein Porträtaquarell Dr. Matejkas. In einem ölbilde kommt die giganteske Schönheit eines modernen Industriebetriebes, des Leopoldauer Gasometers, in Farbe und Gestaltung zu starker Geltung. Bednarik ist noch jung, noch ringt er mit den Problemen, die seinem Künstlertum gestellt werden, aber in der Landschaft hat er den Weg beschritten, Jar einzig und allein auf diesem Gebiete zum Ziele führen kann, den Weg zu beseelter Gestaltung des Natureindrucks, der über die Vedute hinaus zum kompositorisch gestalteten Bilde geht.

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