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Vom Wiederaufbau der Wiener Staatsoper

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Die fachliche Diskussion über den Staatsopernwiederaufbau wogte lange hin und her. Viel wurde in der Presse und in der gesamten Öffentlichkeit dazu gesagt. Dann aber verstummte die Debatte, und die Angelegenheit wurde der allgemeinen Tagesreportage zugewiesen. Es scheint aber an der Zeit zu sein, über diese Berichte hinaus die Ergebnisse der bisherigen Arbeiten an Wiens Opernhaus in kritischer Schau von der Warte des Musikers und Kunstfreundes aus zusammenzufassen.

Die Wiederherstellung des Vestibüls und Foyers warf weiter keine Probleme auf. Historische Treue leitete die Restauratoren, hier kam auch nichts anderes in Frage; die Öffentlichkeit könnte diesen Teil bereits besichtigen. Zu beiden Seiten des Foyers (an der Längsseite des Hauses) werden Festräume angebaut, deren Pläne ein stilistisch gedeihliches Nebeneinander von Atltem und Neuem erlauben. Sie werden die gesamte Räumlichkeit ebenso günstig erweitern wie der Ausbau des sogenannten Kaiserstiegentrakts zum allgemeinen Aufgang zur dritten Galerie

Zu diesen Raumerweiterungen zählt auch das große Flachdach, das von der vierten Galerie aus zu betreten sein wird. Diese Terrasse zwischen den beiden geflügelten Reitern dehnt sich auch über die Seitentrakte (entlang Operngasse und Kärntnerstraße) aus. Diese Teile waren vor dem großen Brand mit einem nach innen gewölbten Holzdach gedeckt. Bei allen diesen Reformen sind allerdings rein praktische und technische Gesichtspunkte maßgebend gewesen, doch ändert dies nichts an den Verdiensten der Architekten, die damit sowohl der repräsentativen Aufgabe des Opernhauses wie auch der engeren Zweckbestimmung des Hauses gerecht geworden sind.

Dachstahlgerippe und Dachschale in ihrer feuersicheren Zusammensetzung sind die bestimmenden Faktoren des Baues, der als Baumittel vorwiegend Eisen und Beton heranzieht. Dieses Stahlgerüst, das allein von den Hauptmauern getragen wird, bildet die Grundlage der ganzen Innenkonstruktion, deren Ausführung wohl noch eine Zeitlang dauern wird. Denn hier wird nicht der Techniker allein das Wort haben, hier muß bei jedem Teil der Innenausstattung noch vieles erwogen werden. Auf jeden Fall bleibt es bei der Bauart des Logentheaters, die Säulen der beiden Galerien fallen infolge der Festigkeit des Eisenbetonmaterials weg. Nicht vorgesehen aber ist eine restlose Wiederherstellung des alten Charakters des Zuschauerraumes, wobei die Gefahr des Entstehens eines Mischstils nicht von der Hand zu weisen ist. Vielleicht wäre eine angeregtere öffentliche Diskussion über diese Punkte der Detailgestaltung (bis zur Ausgestaltung der Sitzplätze!) angebracht.

Sicher beurteilen können wir schon das Bild des künftigen Bühnenraumes: 40 Meter vom Dach bis zur Sohle der Bühne, die in Zukunft vielleicht die modernste Opernbühne Europas sein wird. Der Theaterfachmann begrüßt die Konstruktion einer Versenkschiebebühne in Verbindung mit einer Seitenbühne, die besonders wichtig für schnellen Szenenwechsel ist. Die bisherige Größe der Seitenbühne hatte den modernen Regieanforderungen nicht mehr entsprochen, selbst die kühnsten Einfälle des Regisseurs wird nunmehr die zusammenklappbare und hochziehbare Drehbühne ermöglichen.

Auch was die sonstigen Teile (wie Probensäle, Büroräume usw.) betrifft, ist vom kritischen Betrachter nur Gutes über schon Bestehendes und Geplantes auszusagen. Das große Fragezeichen bildet also, wie erwähnt, nur der Zuschauerraum, der uns — hoffentlich — keine Enttäuschung bereiten wird. Er wird zu beweisen haben, daß modernste Bautechnik und alte Kulturverpflichtung eine befriedigende Synthese eingehen können.

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