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Das neue alte Theater

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Als vor einigen Jahren bekannt wurde, daß die Absicht besteht, das Gebäude des Theaters an der Wien auf Abbruch zu verkaufen, wurde diese Nachricht in allen Kreisen und weit über unsere Stadt hinaus mit Protest und mit Bedauern kommentiert. Ziemlich einhellig wurde die Forderung gestellt, das Theater an der Wien, dessen Zuschauerraum durch 150 Jahre Schauplatz so vieler dramatischer und musikalischer Ereignisse war — die von hier aus in die Welt wirkten —, als Wahrzeichen europäischer Theaterkultur zu erhalten und wieder zum Leben zu erwecken.

Das Haus, 1800 bis 1801 durch Schikaneder als Ersatz für das abgerissene Freihaustheater errichtet, bot in seiner wechselvollen Geschichte als repräsentatives Privattheater allen Produktionen Quartier, die — weil zu wenig vornehm, oder zu modern — nicht hoftheaterwürdig erschien. So gelangten in diesem Hause nicht bloß fast alle Volksstücke sondern auch solche wie „Fidelio“ oder „Die Ahnfrau“ zur Uraufführung, und „Wilhelm Teil“ wurde hier zum erstenmal in Österreich gespielt. Das Haus war also immer ein „Vielzwecktheater“ gewesen — für Sprechstücke, Singspiel. Oper und Konzert verwendet —, und als solches stellt es sich nach dem Willen der Bauherren auch jetzt wieder vor.

Nach dem die Gemeinde Wien das Theatergebäude angekauft und dessen großzügigen Umbau beschlossen hatte, war es die Aufgabe des Architekten, in das uns liebgewordene — in bezug auf Sicherheit, Bequemlichkeit und technische Ausrüstung jedoch vollkommen veraltete — Gebäude das gesamte Funktionsprogramm eines modernen Vielzwecktheaters so diskret und taktvoll einzuplanen, daß man vom wertvollen Alten nichts vermißt und das hinzugekommene Neue sinnvoll eingefügt findet.

Der Zuschauerraum, das Kernstück des Hauses, mußte pietätvoll erhalten und von späteren störenden Einbauten befreit werden, die umfangreichen Forderungen für Heizung und Kühlung, für Akustik und Tonübertragung, für Rundfunk und Fernsehen, für die Bühnenbeleuchtung und für das hebe- und senkbare Orchester mußten möglichst unmerklich eingeplant werden.

Da eine Veränderung der Ranghöhen einer völligen Zerstörung des Zuschauerraumes gleichgekommen wäre — und damit überhaupt den Sinn des Ankaufes in Frage gestellt hätte — mußte die alte Rangteilung mit ihren oft sehr geringen Durchgangshöhen beibehalten werden, womit auch der bemerkenswert intime Charakter des Hauses gewahrt blieb. Durch Anordnung von Logen an Stelle von Sitz- und Stehplätzen konnten die Nachteile dieser geringen Höhen gemildert werden. In der Farbgebung des Zuschauerraumes, in der Gliederung der Umfassungswände, in der Ausbildung der Draperien über der Bühnenöffnung und in manchen anderen Details war es möglich, den Zuschauerraum — bei ständiger Berücksichtigung der akustischen Forderungen — der ehemaligen Erscheinungsform wieder weitgehend anzugleichen.

Der alte, schon sehr schadhafte aber historisch bedeutsame, gemalte Hauptvorhang konnte geborgen, restauriert und auf den eisernen Vorhang aufgebracht werden; der neue Hauptvorhang — vom Atelier Kindermann entworfen und ausgeführt — verbindet die historische Welt des Zuschauerraumes mit der zeitlosen Traumwelt der Bühne. Die alte Saaldecke, deren Stukkaturrohrverdrahtung durchgerostet war, wurde sorgfältig abgenommen, restauriert, und wieder originalgetreu aufgebracht. Alle Restaurierungsarbeiten wurden vom akad. Maler Gustav Krämer durchgeführt und vom Bundesdenkmalamt überwacht, das — ebenso wie das Museum der Stadt Wien — auch dem Architekten wertvolle Anhaltspunkte zur Ausgestaltung zur Verfügung stellte.

Das Bühnenhaus erhielt eine — von Prof. Nordegg geplante — vollständig neue bühnentechnische Anlage mit Drehzylinderbühne, neuer Beleuchtungs- und Tonanlage. Für diese bühnentechnischen Anlagen sov/ie für de neue-Heizungs- Lüftungs- und Klimaanlage mußten umfangreiche Unterkellerungen vorgenommen werden und Dachböden ausgebaut werden, um den großen Raumbedarf zu befriedigen, da sichtbare Zu- und Aufbauten nicht möglich waren.

Die Nebenräume des Bühnenhauses, die Künstlergarderoben, die Aufenthaltsräume für das technische Personal, Depots, Werkstätten, Proberäume, Direktionsräume, sanitäre und technische Anlagen usw. mußten durch sorgfältige Aufteilung aller verfügbaren Räume neu geschaffen werden. Neun Zehntel dieser Einbauten bleiben dem Publikum ebenso verborgen wie die umfangreichen Assanierungsarbeiten, die notwendig waren, das jahrzehntelang vernachlässigte Gebäude in einen vertretbaren Bauzustand zu versetzen.

Die Publikumsräume rings um den Zuschauerraum wurden erweitert und völlig neu gestaltet. Jeder Rang erhielt eine gesonderte Kleiderablage mit Sanitäranlage und einen eigenen Pausenraum, dessen Stofftapeten - von Prof. Bahner entworfen und vom Atelier Kindermann ausgeführt — bedeutende Uraufführungen des Hauses zum Thema haben.

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