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Zum Wiederaufbau der Staatsoper

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Die künstlerischen Wettbewerbe, die in den letzten zwanzig Monaten abgebalten wurden, um für den Wiederaufbau von Plätzen oder Stadtvierteln neue Ideen zu gewinnen, krankten fast ausnahmslos an dem Fehler, daß man sich statt großzügiger Planung allzusehr auf Detailprojekte verlegte.

Ähnliche Mängel weist auch der letzte Wettbewerb auf, dessen Ausschreibung die Neugestaltung des Zuschauerraumes und der festlichen Nebenräume der Staatsoper verlangte und nur in einem Nebensatz auf neue konstruktive Planungen der Gesamtanlage hinwies. Als Grundlage diente hiezu der geniale Grundriß von Van der Nüll- Siccardsburg, in dem von unbekannter Architektenhand einige Veränderungen vorgenommen worden sind, obwohl man annehmen sollte, daß für ein Bauwerk von dieser Bedeutung ein Gesamtplaner von internationaler Geltung als Verantwortlicher zu zeichnen hätte. Eine Folge dieser eigenartigen Ausschreibung war es daher, daß nur hie und da Ansätze zu einer wirklich großzügigen Gestaltung der Gesamtanlage zu finden sind, während sich die Mehrzahl der am Wettbewerb beteiligten Baukünstler vor allem mit der Lösung von Aufgaben befaßte, die mehr die Maler und Bildhauer als die Architekten beanspruchen.

Für den Wiederaufbau des Operngebäudes gibt es nur drei Lösungen. Entweder beschränkt man sich auf die Wiederherstellung des früheren Bauzustandes oder man gibt den Baukünstlern die Möglichkeit zu einer Neugestaltung, die aus dem Geiste der Gegenwart herauswächst, oder — und dies ist wohl die zweckdienlichste Lösung — man versucht, den künstlerischen Gesamteindruck des alten Hauses im großen und ganzen beizubehalten, und trachtet dabei, jene Mängel auszuschalten, die sich im alten Gebäude da und dort unliebsam bemerkbar machten. Vor allem darf nicht übersehen werden, daß die neue Staatsoper nicht mehr ein höfisches Theater, sondern ein Haus für die Allgemeinheit des Volkes sein wird.

Die Jury des Wettbewerbes ist sich dieser Tatsache bewußt gewesen. Dies beweisen die Erläuterungen, die sie den einzelnen Projekten widmet. Besonders bedenklich erscheint der Umstand, daß in den meisten Projekten der Fassungsraum des neuen Zuschauerraumes kleiner sein wird als früher, eine wirtschaftliche Unmöglichkeit, die zu einer überaus ungünstigen Preiskalkulation führen müßte. Hier findet das Projekt des Architekten Prof. Lehmann eine besonders glückliche Lösung durch Auflassung der Vorsalons der einzelnen Logen und Zurück- legung der gesamten Logenanlagen, wodurch der Zuschauerraum entsprechend geweitet werden könnte, ohne daß der Gesamteindruck des Baues wesentlich verändert würde. Dieses Projekt, das bei Auflassung der Galerie und großzügiger Ausgestaltung des 3. Ranges ausgezeichnete Sichtverhältnisse schafft, gibt auch für die Gestaltung der Nebenräume eine vorzügliche konstruktive Lösung, die eigentlich schon aus dem Siccardsburgischen Grundriß als gegeben anzusehen ist. Dadurch würde die direkte Verbindung zwischen den beiderseitigen Erholungsräumen erzielt werden, statt die Besucher wahre Irrwege gehen zu lassen. Klosett- und Aufzugsanlagen ließen sich leicht und zweckdienlich an anderer Stelle des Gebäudes errichten lassen.

Die starke künstlerische Persönlichkeit Clemens Holzmeisters verrät sich in seinen Projektvarianten. Er macht den Versuch, durch eine Vorbühne den Guckkastencharakter der Bühne zu verwischen und so den festlichen Eindruck zu steigern, ein glücklicher Gedanke, der im Geiste der Mysterienbühne den Bühnenraum weiten würde, ohne den Zuschauerraum zu verkleinern. Sehr gelungen ist auch seine Gestaltung der Nebenräume, deren Schmuck die Makart-Gemälde bilden sollen. Auf die konstruktive Neugestaltung des Hauses geht Holzmeister bis auf Einzelheiten nicht ein, da sie ja nicht besonders verlangt wurde.

Uber die Entwürfe Boltensterns und Prossingers wurde in der letzten Folge der „Furche” von Univ.-Prof. Doktor Oellacher bereits eingehend berichtet. Besondere Erwähnung verdient die Wettbewerbsarbeit Zeno Kosaks, dessen starkes dekoratives Können besonders in den noblen Entwürfen für die Nebenräumc und den eisernen Vorhang überaus feine künstlerische Wirkung erzielt. In der Ge ‘ staltung des Zuschauerraumes hält er sich enge an den Grundentwurf, wobei er die Stützen des 4. Ranges beibehält. Dadurch wahrt er am meisten den Charakter des alten Flauses, vielleicht aber auch zum Schaden der Sichtverhältnisse.

Auch die Projekte Schüßler-Carlos Riefel, Schilbach-Schüßler und Bakalovits enthalten eine Reibe von künstlerisch hochwertigen Einzelheiten, stehen aber in der Gesamtlösung hinter den früher besprochenen Arbeiten zurück.

Keine der Wettbewerbsarbeiten erscheint in ihrer derzeitigen Fassung als ausführungsreif, ein neuer, engerer Wettbewerb wird erst die endgültige Lösung bringen können. Aber heute schon muß davor gewarnt werden, eine groß- zügige konstrukti ve Neulösung außer acht zu lassen. Die Fassungsmöglichkeit des Zuschauerraumes muß erhöht, darf auf keinen Fall verringert werden. Die Nebenräume sind festlich zu gestalten, die Nebentreppen und Verbindungsgänge sind so zu führen, daß sich jeder Besucher leicht zurechtfinden kann und jede Möglichkeit einer Panik ausgeschlossen erscheint. Der dem Wettbewerb zugrunde liegende Hauptplan ist in dieser Hinsicht unzulänglich, kann aber leicht abgeändert werden. Die großzügige konstruktive Gestaltung der Staatsoper ist das Primäre, die künstlerische Innengestaltung wird dadurch nur befruchtet werden.

Die ungezählten Freunde der altehrwürdigen Staatsoper haben nur den einen Wunsch, daß das neuerstandene Haus die Vorzüge des alten mit den Errungenschaften moderner baukünstlerischer Erkenntnisse zu schöner Harmonie vereinigt .

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