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AYUB KHAN / EIN HORNISTENSOHN WURDE FELDMARSCHALL

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Es wäre wohl ein makabrer Witz, würde man den schweren Konflikt, der zwischen Indien und Pakistan unter Einsatz modernster Kriegsgeräte ausgefochten wird, als „dröle de guerre“ bezeichnen. „Dröle de guerre“ — erinnern Sie sich? Das war jener seltsame Krieg, in dem einander zwei Heere gegenüberstanden, ohne die Feindseligkeiten zu eröffnen, damals, im Kriegswinter 1939140, als die Franzosen in den Kasematten der Maginot-Linie den Angriff der Deutschen erwarteten. Ganz formell, wie im Geschichtsbuch, hatte es begonnen: nach dem Austausch der Kriegserklärung war man nach diplomatischem Brauch eben im Kriege.

Nicht so in Asten, in der Auseinandersetzung um Kaschmir, in jenem „Krieg ohne Kriegserklärung“, wo blutige Materialschlachten geschlagen werden, die denen des zweiten Weltkrieges kaum nachstehen. Dort also bestehen zwischen den kämpfenden Parteien noch immer normale diplomatische Beziehungen — „dröle de guerre“ mit umgekehrten Vorzeichen...

Der Schöpfer der pakistanischen Armee, General Ayub Khan, hat nun Gelegenheit, das Schwert, das er geschmiedet hat, zu gebrauchen. „Chef“ nennen ihn seine Untertanen respektvoll, den breitschulterigen, 1,90 Meter großen Feldmarschall, der die Khakiuniform nur selten mit einem tadellos geschnittenen grauen Flanellanzug vertauscht.

Geboren 1907, hat der Sohn eines Hornisten der angloindischen Armee aus dem Stamm der kriegerischen Paschtunen einen steilen Aufstieg erlebt: Schon als „Trommelbub“ soll er den Guerilla-Krieg gegen die Rotröcke am Khyberpaß mitgemacht haben. Nach dem Universitätsstudium erwarb er 1928 das Leutnantspatent an der traditionsreichen britischen Militärakademie in Sand-hurst, kletterte die Rangleiter hinauf, wurde Stabsoffizier, schließlich Oberst im britisch-indischen Heer. In der neuaufgestellten pakistanischen Armee wurde er 1950 kommandierender General und ein Jahr später Oberbefehlshaber. 1954 wurde er Verteidigungsminister, am 27. Oktober 1958 Minister für Kaschmirfragen und dann Ministerpräsident. Nachdem er den Staatspräsidenten Mirza zum Rücktritt gezwungen hatte, löste Ayub Khan das Parlament und die Parteien auf und vereinigte als Staatschef und Kommandant der Armee die Macht in seiner Hand.

Seit damals ist er auch Feld-marschall. Staatsoberhäupter, die autoritär regieren, haben selten große Schwierigkeiten, diese oder ähnlich hohe Ränge in der Armee zu erreichen. Immerhin hält die britische Erziehung zum „Understatement“, wie sie jeder britische Offizier erfährt, den „Chef“ von Pakistan davor zurück, die Allüren eines Diktators anzunehmen. Ayub Khan hat es verstanden, sein Land aus dem Korruptionssumpf zu ziehen, in dem es tief gesteckt war, ohne eine Militärdiktatur an die Macht zu lassen.

Seine Hobbys sind die eines britisch erzogenen Kolonialoffi-ziers: Er gilt als großer Jäger, als ausgezeichneter Schütze, als gewandter Tennis- und Golfspieler, als guter Reiter und als Literaturfreund, der nie ohne Bücher im Gepäck reist. Er ist verheiratet und hat sieben Kinder.

Nun sieht sich der überzeugte Moslem in einem gefährlichen Konflikt plötzlich an der Seite Rotchinas. Als Realpolitiker merkt Ayub Khan sicherlich den Schatten der Macht, die sich bereitwillig — allzu bereitwillig — als Bundesgenosse anbietet. Die Reise des UNO-Generalsekretärs U Thant dürfte also einigen Erfolg haben, da sich beide Gegner offenbar der Gefährlichkeit des Feuers, das sie leichtfertig entzündet haben, bewußt geworden sind.

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