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Casar von Arx und seine der in Christo

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Der bedeutendste Schweizer Dramatiker Cäsar von Arx ist den Österreichern längst kein Unbekannter mehr. 1934 wurde sein hfstorisches Schauspiel „Der Verrat von Novarra“ im Burgtheater unter großem Beifall zur Aufführung gebracht. Für 1938 war an gleicher Stelle das in der ganzen Schweiz vielgespielte Bühnenwerk „Der heilige Held“ vorgesehen. Da erfolgte der Einmarsch Hitlers, und so war seine Aufnahme ausgeschlossen. Denn im Mittelpunkt der Handlung stand kein Geringerer als der Schweizer Friedensbringer Nikiaus von der Flüe, dessen Heiligsprechung eben erfolgte. In der welschen Schweiz kam kürzlich eine französische Übersetzung des Stückes (von Leon Richoz) zustande, das dort einen ähnlichen begeisterten Anklang finden dürfte, wie er ihm in Zürich unter anderen beschieden war.

Im letzten Frühjahr gab es im Zürcher Schauspielhaus eine neue Sensation. Das iüngste dort aufgeführte Schauspiel von Arx, „Brüder in Christ o“, mit Zwingli im Vordergrund ließ ein konfessionelles Problemdrama vermuten Ein solches freilich lag dem Dichter vollkommen fern. Der zeitgebundene Kampf Zwingiis mit den Wiedertäufern bot ihm bloß die Folie für die Behandlung eines ewigen Themas: Menschlichkeit, Humanität!

In der ersten Szene sucht Ulrich Herzog von Württemberg, der Widersacher des Kaisers und Parteigänger des lutherischen Landgrafen von Hessen, Zwingli in dessen Hause auf und will ihn aus politischen Gründen mit Luther selbst versöhnen. Ein Bund aller protestantischen Staaten vom Belt bis zur Adria ist beider Ziel. Der Kampf um die Macht nach außen beginnt im Innern mit der brutalen Ausrottung der Wiedertäufer. Damit wird das Leitmotiv angeschlagen: Liebe im Wort, Unduldsamkeit in der Tat! Zwingli ist jedoch nicht bloß Fanatiker, er ist auch Mensch. Und so mildert die folgende herzliche Familien-, szene den starren Eindruck, den Zwingli anfangs auf uns macht. Sein eigentlicher Gegenspieler ist der vom Dichter frei erfundene Wiedertäufer Cornelius, Sohn des mit Zwingli befreundeten Ratsherrn Falk, bereit, wenn es sein muß, für seine sektiererischen Ideale das Leben zu opfern. Er stammt aus des Ratsherrn erster Ehe und gewinnt dessen zweite jugendliche Gattin für das Täufertum. Ratsherr Falk gerät nun in einen schweren Widerstreit zwischen irdischer und himmlischer Liebe, . wird einerseits zum Verräter am Sohn, um die Gattin zu behalten, andererseits selbst aber von der neuen Lehre ergriffen. So verliert er am Ende beide, schließlich auch den Glauben an seine religiöse Berufung und folgt als gebrochener Mann Zwingiis Aufgebot in den Krieg, den er mit allen seinen Mitteln fördert. Diesen Krieg wird der Zürcher Staatsmann verlieren und damit auch sein Leben. Der Kampf der Geister um Freiheit und Frieden aber geht weiter bis zum heutigen Tag. Das nämlich ist der tiefe Sinn dieser Tragödie, die ebenso wie verschiedene Dramen Schillers und Grill-parzers in gleicher Weise als Charakterdrama wie als Ideendrama gelten mag, daß die Gewalt auch einer staatlichen Macht vor dem Recht der freien Persönlichkeit nicht bestehen kann, daß jede ehrliche Überzeugung Toleranz fordert, daß kein Angriffskrieg, und sei er selbst von gläubigen Impulsen eingegeben, Segen zu bringen vermag.

Gelang dem Dichter im „Heiligen Helden“ eine wunderbare Synthese irdischer und metaphysisdier Elemente, so wirken die in menschliche Leidenschaften verstrickten „Brüder in Christo“ durch ihre erdhafte Lebensverbundenheit auch auf ein Publikum, das sonst keiner religiösen Erhebung fähig ist. Nikiaus von der Flüe hat den alten Adam ausgezogen und wandelt sich vor unsern Augen zum Heiligen in einer uns unerreichbaren Höhe. Zwingli dagegen ist kein Heiliger, sondern Mensch, persönlichen Affekten und zeitlichen Strebungen unterworfen. In sinnfälligen Bildern voll höchster Ausdruckskraft läßt der Dichter den streitbaren Reformator mit seinem wildbewegten Jahrhundert und seiner stürmischen Umwelt vor uns lebendig werden. Die urwüchsige Eigenart seiner Sprache, die sich manchmal bis zur sprichwörtlichen Formung steigert und. auch dialektischer Zutat nicht entbehrt, um das Schweizer Kolorit zu wahren, zwingt uns stets aufs neue in ihren Bann.

Die Zahl der handelnden Personen erscheint auf ein Mindestmaß beschränkt. Kontrastwirkungen erhöhen die Spannung. Der Buchfink des Ratsherrn endlich bedeutet mehr als bloß einen poetischen Einfall des Dichters. Er bringt in das Prosastück einen lebhaft beschwingten musikalischen Ton, der auch aus der Trompete Zwingiis und in einem Wiedertäuferlied an unser Ohr klingt.

Die Gegenwart ist arm an deutschsprachigen Bühnendichtungen von Rang und Fernwirkung. Mit den „Brüdern in Christo“ erhalten wir, wie einst mit dem „Heiligen Helden“, das Meisterwerk eines Dramatikers, der für die Schweiz einen Ehrenplatz in der Theattrgeschichte er-, obert, den früher andere Länder unseres Sprachgebiets besessen haben. Die Buchausgabe erscheint demnächst im Verlag Oprecht in Zürich.

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