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Das verhinderte Volksbuch

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Die dreißig Ravagsendungen „Plauderei am Gartenzaun“, in drei Jahren geführt, waren der stärkste und schönste Zuspruch, den die bäuerliche Welt seit langem erfuhr. Stimmungsvoll eingeleitet durch das zeichenhaft wirkende Arbesbacher Bauernquaftett, bedeuteten sie eine „ausgesparte Stille", ein Stätte der Arglosigkeit und Geborgenheit. Das herzhafte Gespräch im farbigen Heimatlaut war immer wieder ein beschenkendes Begegnen zwischen Bauer und Bauer, zwischen bewahrtem Dorf und landverbundener Stadt und jedesmal auch ein prüfendes Beraten zwischen Erziehern, Volksbildnern und allen Heimatbeflissenen.

Hans Stiftegger trägt kraft bäuerlich umhegter Kindheit und Jugend und vermöge bäuerlicher Voreltern aus altösterreichischem Raum die Vollmacht zum volkstümlich besinnlichen Gespräch tief in sich. Als Schauplatz wählte er den zueinander weisenden Gartenzaun. Aber nicht allein Pfarrer, Bürgermeister, Schullehrer, Arzt, Gendarm, Bahnwächter und Kräuterwaberi läßt er auftreten, sondern durch sie jene unpersönlichen Lebensmächte, die den Menschen bedrängen, erproben oder erheben. Die Bäuerin — Opfer gegenwärtiger Arbeits- und Gesellschaftswirrnis — stand als Anklage unserer Zeit mitten in der Problemreihe, knapp neben ihr Magd und Knecht als Landarbeiterschicksal, der auf Heimatfahrten und in Kursen um neue Werte und um die ganze österreichische Heimat ringende Jungbauer, der Heimkehrer in der Überfreude der Errettung, Altbauer und alter Oberlehrer, gleicherweis bangend um den geborgenen Lebensabend, der dorfgewohnte Priester, fast anonym Spannungen und Nöte lindernd, der fortschrittliche Junglehrer, der gegen Oberflächlichkeit und Verwüstung Volkslied, Volkstanz, Hausmusik, gutes Buch und Gemeinschaftsorge setzt, Brauchtum, Mundartpflege, Mundartdichter, reiche Anekdotenschätze, volkstümlicher Humor und ein Lobpreis auf bodenständige Handwerkerkunst schließen den Ring dorfbestimmter Hege und Einmahnung zur Unverletzlichkeit. Aus anscheinend regellosem Ablauf spannen sich bald klare Fäden, die das Prinzip der Betrachtungen vorsichtig, aber beredsam abzeichneten und das lohnende Gefühl der Ganzheit und der ordnenden überschau boten. Wie stark die Wirkung des zwanglosen, doch besorgten Aufbaues und der symbolisierenden Absicht gelungen war, beweist; daß si der Hörer na und,na ein ganz bestimmtes, etwa im Alpenvorland gelegenes Dorf vorstellte, darin ihm vertraute, mit Sorgen, Kümmernissen und Fürwitz beladene Mens en leben, denen er von Zeit zu Zeit immer wieder begegnete, ein fast bestimmtes Dorf also, das man aber do wieder als irgendein österrei is es empfand. Die Dialoge bedienten si der Mundart des Alpenvorlandes, die rein und äußerst gewissenhaft ges rieben war und fast e t gespro- en wurde. Der im Weinland gebürtige Pfarrherr gab jedesmal im Oktober in freudig-wehmütiger HeimsAau eine begeisterte S ilde- rung über Lese, Weinbauer und Weinviertier Mundart, so daß die nahezu traditionelle Ni tbea tung dieses s ier abseitigen öster- rei is etn Landstri s zu einem begeisterten Hymnus gewendet war. Gegen Verunglimpfungen der bäuerli en Welt aus Verbildungsoder GesellsAaftsdünkel wehrte si das Sonntagsgesprä na drü li und ans au- li .

Das erzieherisAe Gesetz, das Stiftegger anwandte, könnte man den kräftigen Realismus eines idealistis en Betra ters nennen. So bodene t und von kindauf vertraut alles ge- zeiAnet war, stand do über vielem unauf- dringliA, aber mutig der Satz „So sollt ihr sein! In Zeiten, in denen volkserzieherisAe Ambitionen von jeder StraßeneAe rufen, wahrhaftig kein Übelstand, sondern na dem Herzton der „Plaudereien ein „sanftes Gesetz , wie überhaupt die Gesamtführung der Sendungen im sAönsten und ehrendsten Sinn an Adalbert Stifter gemahnte.

Die Wirkung entspra der Güte. Land und Stadt — au außerhalb OsterreiAs — warteten auf die Gartenzaunsonntage. Diese beiden nahezu feindliAen Räume wurden durA eine kleine Viertelstunde drei Sommer lang (1950 bis 1952) ganz nahe zueinander geführt. Die Inhalte bildeten Tage hindurA GespräAs- stoffe fü(r Arbeit und Feierabend, sie wiesen den bä’ierliAen MensAen aus Verkennung,

Vereinsamung und SAwäAung zurück in das große Gemeinsame aller, SAulklassen bewahrten einzelne Hörfolgen für den Bestand ihrer Jahresarbeit, und manAenorts sammelten siA um das Radio eines GlüAliAeren jene, die ohne Gerät sind, und es bildeten siA Kreise äußerliA UngleiAer, die einander aber inwendig gesAwisterliA berührten in der ehrfürAtigen BereitsAaft zum Widerhall. So war eine neue, glückliAe Form gefunden für das Zueinandergehen von sAönem Gedanken und elnfaAem Volk, was wir niAt gering ver- ansAlagen dürfen, denn der Bauer ist ein karger Leser, aber ein dankbarer Zuhörer.

Wer es etwa noA niAt wußte, konnte es an den vielen Sonntagen inne werden: Hans Stiftegger ist der Verkünder des gütigen besorgten Herzens und ein Meister im Anspre- Aen des Volkes. Seine GespräAe gehen wie gute Geister im Land um und seine GesAi - ten kehren immer wieder in Sammelbänden, Kalendern, Haus- und SAulbüAern.

Eines soll niAt versAwiegen sein: Wenn gegen „SAmutz und SAund gewettert wird, ist manAmal der VerdaAt gereAtfertigt, es sei dem BesAwerdeführer mit seiner Erregung niAt ganz ernst. Es gibt da Entrüstungen, die uneAt klingen. Diese Vorhaltung gilt niAt für Hans Stiftegger. Seine BesAwörungen sind vollstreckte Sauberkeit, sie sind eine Warnungstafel, ohne daß man es merkt. Und darin liegt ihre kostbarste Bewährung. Daß man sie niAt — bis jetzt niAt — als VolkslesebuA bewahren und erwerben kann, ist ihr einziger Fehler. Für sie sollte si ein „kommunaler Mäzen im weiteren Sinn niAt nur finden lassen, er sollte si freudig anbieten, denn wertvolle Darstellungen des Bauerntums sind — im Gegensatz zum sogenannten Bauerntheater — weder sehr zahl- reiA noA verbreitet. Hans Stiftegger liebt den Bauer, lebt unter Bauern und redet für sie. BäuerliAe Organisationen sollten dies werktätig würdigen.

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