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Der blaue und der rosa Engel
„Der Blaue Engel“: das war der Name eines zweifelhaften Lokals, das an einem Hafen in einer Querstraße lag und behaftet -war mit Gerüchen von 1 Teer, Bier und Puder; hier und nirgendwo anders mußte der Gymnasialprofessor die Dame vom Kabarett kennenlernen, die ihn seine lebenslang aufgespeicherten Grundsätze vergessen ließ. „Der Blaue Engel“: das war auch der Titel eines Films aus den dreißiger Jahren, in dem Emil Jannings in einer seiner unvergeßlichen Rollen den Professor Unrat verkörperte, der der „Künstlerin“ Fräulein Fröhlich — dargestellt von Marlene Dietrich -7 verfiel und an ihr zugrunde ging. Nun spielt das Neue Theater inderScala' den „P r ,0-fessor Unrat“ von Heinrich M a n n. Darunter ist auf dem Theaterzettel angegeben: Komödie in acht Bildern frei nach dem Roman von Heinrich, Mann von Erich Ebermayer. Der Name Ebermayer ist groß. gedruckt, der Name Mann klein. Das nicht ganz mit Unrecht. Denn dieser Bilderbogen, der sich Komödie nennt, wurde von Ebermayer sehr frei nach Heinrich Mann zusammengestellt. Zu frei, wie uns scheinen will. Wahrer! nämlich Heinrich Mann das Schicksal Professors Unrat mit großartiger und verbissener Konsequenz bis zum bitteren Ende verfolgte und ihm dadurch Züge echter Tragik geben konnte, biegt Ebermayer die Affäre mit dem Fräulein Fröhlich auf halbem Wege ab; der arme Professor Unrat wird von des Dame vom Kabarett ver- und von der Schulinspektion entlassen. Punktum. Da steht er nun, der arme Tor. Hätt' er es nicht getan. Nichts mehr von Manns zwingender Logik, von der überzeugenden Notwendigkeit, mit der sich der Verfall einer brüchig gewordenen Welt vollzieht (und die auch im Film „Der Blaue Engel“ noch klar zum Aus-.drück kamen). Die Tragik ist sentimental und dadurch salonfähig geworden. — Die Scala hat eine starke, geschlossene Aufführung zustande gebracht, auch wenn Friedrich Lobe als Professor Unrat kein Jannings und Elisabeth Gruber als Luise Fröhlich keine Dietrich ist. Die dem Schluß angehängte aufdringliche „Moral von der Geschieht'“ (in Versen) freilich hätte wegbleiben müssen.
Der rosa Engel: so wollen wir den Papierblumenengel nennen, der unsichtbar in Raimund Bergers „Papierblumenfrühling“ die Fäden führt (und auch ein wenig verwirrt). Das „Theater amNaschmarkt — Kaleidoskop“ hat damit (nachdem „Die Tribüne“ vor ungefähr einem fahr den „Verwundeten Engel“ spielte) mit einem weiteren Jugendstück des leider allzu. früh verstorbenen Tiroler Dichters bekannt gemacht. Als Erklärung hierfür gibt es an, daß es sich dem Werke Bergers — das insgesamt sechs Dramen umfaßt — besonders verpflichtet fühlt. Ein dem Programm beigefügter Zettel besagt: „Wir sind uns bewußt, daß der .Papierblumenfrühling' keinen Anspruch auf dramatische Wirksamkeit erheben kann. Dieses Stück wird nicht gespielt werden, wenn es nicht eine Kellerbühne tut.“ Dies eben scheint uns überhaupt die Aufgabe der Kellerbühnen zu sein: Stücke zu spielen, die sonst nicht gespielt werden. So haben wir auch gegen den „Papierblumenfrühling“, ein sehr poetisches, aber ganz und gar undramatisches Theaterstück, das in einer Gasse und Vorstadt einer irrealen Hafenstadt spielt, die zwischen „Himmelreich“ und „Hölle“ liegt, nichts einzuwenden. Vor allem, wenn sich eine so liebevolle Inszenierung, wie die Bruno Dallanskys im Kaleidoskop, seiner annimmt. Natürlich kann auch sie die Schwächen des Stückes, das weitgehend von Kinderrollen getragen wird, nicht vergessen lassen, aber es macht uns das etwas blasse Spiel sympathisch und läßt die rosa Papierblumen aufblühen.
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