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Die Jungen sind zornig, die Mädchen traurig
Von den drei,Filmen, die Polens junger Regisseur Andrzej Wajda über die junge, die jedesmal in anderem Sinne „verlorene“ Generation gedreht hat, ist „Eine Generation“ eine Talentprobe, „Der Kanal“ ein brillantes Gesellenstück, der dritte aber, „Asche und Di am a n t“, sein Meisterstück geworden. Man sah es, tief beeindruckt, dieser Tage naturbelassen, das heißt in der Originalkopie, in einer ersten Sonderaufführung der Gesellschaft der Filmfreunde und der Oesterreichisch-Polnischen Gesellschaft, der noch im Juni eine zweite folgen wird. Der Stoff stammt aus einer Novelle des „Karwoche“- Autors Andrzejewski, den Hauptdarsteller des Films, Zbigniew Cybulski, sahen wir unlängst in dem polnischen Film „Der achte Wochentag"; man war also nicht unvorbereitet, und dennoch überwältigte die gedankliche und formale Reife des Films. Von seinem Helden, einem jungen Nationalpolen, der 1945 mit der unentwegt rauchenden Waffe in der Hand in „heiligem Zorn“ gegen die neue kommunistische Regierung steht, meinte Andrzej Wajda einmal im Gespräch, er sei im Unrecht gewesen; um das zeigen zu können, sei es aber notwendig, ihn und seinesgleichen zu lieben. Diese menschliche Weisheit, dieser, klobig ausgedrückt, politische Nonkonformismus ist das Ueberraschende und Erfreuliche, ja das Hochkünstlerische an diesem Filmwerk, das auch sonst sein Handwerk traumsicher beherrscht und in Inszenierung und Darstellung, Photographie und Schnitt (französisch-impressionistische Anklänge) zum internationalen Rang zählt. Vielleicht streiten sich nun die Leut’ herum, was und wer in dieser Geschichte die Asche und was und wer der Diamant ist. Der Filmkritiker sieht vorerst: Asche, Flugsand — die tausend Haßgesänge in 65 Jahren Film; Diamanten aber — echte menschliche Tragödien, Filme wie dieser.
Zur selben Zeit, da in London John Osborns vielgenanntes Bühnenstück „Blick zurück im Zorn“ über die Leinwand geht, sehen wir hier in Wien nicht wütende junge Männer, sondern entsetzlich traurige Mädchen. Der Wiener Preminger hat sich, nachdem wir schon Franęoise Sagans „Gewisses Lächeln" sahen, drüben ihres Erstlings, „Bonjour T r i- stesse“, angenommen und neben einer Bomben- besetzung auch sein Atout, die nunmehr recht „un- heilige Johanna“ Jean Seeberg, ausgespielt. Aber, merkwürdig, der viel gepflegtere, irgendwie auch dezentere Film „sticht nicht“. Konnte die schlampige Abgebrühtheit des Buches in ihrer ganzen naiven, etwas langweiligen Verfuchtheit noch irgendwie als symptomatischer Ausbruch einer bestimmten dekadenten, Ijbilen zeitlichen Seelenlage gelten, so ist der Film, eben in diesem rangerhöhten Samt- und Plüschdekor, nur noch eine raffiniert viragierte Kopie melancholischer Salon- und Gartenlaubestimmungen. Um wieviel bekömmlicher ist doch der unfertige Wein der zornigen jungen Männer, als dieser abgestandene Teenagerseufzer!
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