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Ein Weg aus dem Chaos

19451960198020002020

Hugo Ball. Kämpfer und Gestalter. Monographienreihe. Herausgegeben von Dr. J. David. Von Eugen E g g e r. Verlag Otto Walter AG, Ölten 1951. 199 Seiten

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Hugo Ball. Kämpfer und Gestalter. Monographienreihe. Herausgegeben von Dr. J. David. Von Eugen E g g e r. Verlag Otto Walter AG, Ölten 1951. 199 Seiten

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Im Jahre 1931 hat Emmy Hennigs-Ball, dl Gattin des genialen Kulturkritikers Hugo Ball (geb. 1886 In Pirmasens, gest. 1927 in Sant Abbondio bei Gentilino), ein Lebensbild ihres Mannes, .Hugo Balls Weg zu Gott“, veröffentlicht. Diese interessante Biographie findet nun in der vorliegenden Publikation — erschienen als 11. Band in einer Monogra-phienreihe, die bereits einige gediegene Arbeiten aufweist — eine wertvolle Ergänzung.

Der Verfasser, Bibliothekar in Bern, will in erster Linie die geistige Welt dieses seltsamen Menschen darstellen. Es ist die reiche Welt eines Philosophen, Literaten, Kulturhistorikers, Politikers und schließlich die eines Hagiographen.

Am Anfang dieses bewegten geistigen Lebens steht Nietzsche. Mit einer Betrachtung .Nietzsche — ein Beitrag zur Erneuerung Deutschlands“, versucht Ball die geistigen Konsequenzen aus der ersten Nachkriegszeit zu ziehen, mit der Philosophie Nietzsches ern6t zu machen und aus der Kunst die Kräfte zur Erlösung der Zeit zu finden. Von der philosophischen Fakultät wechselt er in die Schauspielschule Max Reinhardts über. Clau-dels .Verkündigung* und R. S. Sorges „Bettler“ regen ihn zu eigenem dramatischem Schaffen an, es entstehen .Der Henker von Brescia“ und die .Nase des Michelangelo“. Expressionismus und Dadaismus schreibt er auf seine Fahnen. Im .Cabaret Voltaire“ in Zürich zelebriert er .Lautgedichte* und in dem ungedruckten dadaistischen Roman „Tenderenda, der Phantast*, gelangt er in der Umwertung aller Werte zu einem Tiefpunkt: „er gab 6ogar den Sinn der Worte auf*. Aber bereits in dem kleinen Roman „Flametti“ nimmt er Abschied von dieser Periode und wendet 6ich dem poli-tisch-geschichtsphilosophischen Feld zu. Die Frucht einer strengen Analyse und Kritik der deutschen Machtpolitik und Staatsphilosophie ist das mit großer Gründlichkeit (400 Seiten Anmerkungen!) gearbeitete Buch „Zur Kritik der deutschen Intelligenz“. Die wichtige Zäsur in Balls Leben tritt 1920 ein: durch einen Vortrag vor der deutschen Friedensgesellschaft kündet er seinen Eintritt in die religiöse Welt an. Literarisch findet dieses Ereignis Ausdruck In dem Buch „Byzantinisches Christentum“ (einer Hagiographie der drei Heiligen, Joannes Klimax, Dionysius Areopagita und Symeon des Styliten) und in den „Folgen der Reformation*. In seinen letzten Lebensjahren veröffentlichte er eine Hesse-Biographie, ein Tagebuch, betitelt „Die Flucht aus der Zeit“, und bereitete ein Exorzismusbuch vor, in dem die Welt der Dämonie dem Heiligen konfrontiert werden sollte.

Eugen Egger gelingt es, in einfacher und klarer Datstellung, die Geradlinigkeit des geistigen Lebensweges Hugo Balls aufzuzeigen, die von Nietzsche bis zu den Wüstenvätern und Säulenheiligen führt Ball kommt von Nietsdie zur Kunst, findet aber nicht die verheißene Erlösung, sondern das Chaos. Er versuchte im Dadaismus eine Reformation der Menschheit durch die Kunst, urteilt aber bald darüber: „Dadaismus — das war die zweite und letzte Stufe der Poesie des Sinnlosen.“ — Die Beschäftigung mit der Politik läßt Ball von einem Gegner des Krieges zu einem Gegner des Staates werden. Er fordert „eine freie Internationale des demokratischen Geistes“. In der „Kritik* wollte er die deutsche Staats-Idee treffen, die den deutschen Gedanken vernichtete. Sein Streben ging aber nicht nach einer äußeren Revolution, sondern nach einer inneren Umwälzung, nach einem Anderswerden der Menschen, In Ball festigte sich immer mehr die Uberzeugung, daß „dem Profanen, das alles zu töten drohte... nur das Heilige entgegengehalten werden konnte“. Seine Konversion war schließlich keine Umkehr, sondern eine folgerichtige Weiterentwicklung, und im „Byzantinischen Christentum“ verherrlichte er das Heilige: „Die Heiligen sind die Frondeure des Diesseits, sie sind erlöst vom Fluch und von der Verzauberung.“ Ball war ein Wahrheitssucher von absoluter Ehrlichkeit, der von seinem Innersten her zur Religion zurückkehrte und mit dem einmal als richtig Erkannten unbedingt ern6t machte. Egger erkennt, ebenso wie Hermann Hesse, als dieses „Innerste“ in Balls Charakter seine Religiosität, eine Religiosität, die sich zuerst gegen das ererbte, traditionelle Christentum stellte, dann die Periode des revolutionären Atheismus überwand und schließlich die Rückkehr zu einem tief verinnerlichten Christentum vollbrachte.

Briefwechsel In Gedichten mit Erika Mitte-rer. 1924 bis 1926. Von Rainer Maria Rilke. Insel-Verlag, Wiesbaden.

Im Jahre 1924 hat eine achtzehnjährige Wienerin mit der ganzen Einfühlungskraft ihrer Jugend in die Welt der .Späten Gedichte“ Rilkes diesen mit Versen angesprochen, die bei dem exklusivsten der Dichter Erwiderung fanden. Das Merkwürdige: ein Briefwechsel in Gedichten entspann sich so in bald kleineren, bald größeren Zeitabständen. Er wird nun, vierzehn Jahre nach dem Tod des Dichters, vorgelegt. Nur mit Zurückhaltung und Takt wird man an diesen schmalen Band herangehen, an dieses Gestalt gewordene differenzierte Sehnen, Erfühlen und Begreifen. Sie werden von den Rilke-Interpre in gewiß bald ihre wissenschaftliche Auslegt g finden. Wesentlich ist die Ursache des lint-stehens dieser Verse: daß eine junge Wiener Dichterin die Zeichen der sublimen Kuiist des Dichters erkannt und mit ihrem eigenen, so schöpferisch gewordenem Wort das Siegel gelöst hat um diese vielen so verborgene Welt. Diesem Gelingen konnte sich Rilke nicht entziehen. „Ohne mir zu gleichen*, erklärte er dieses Phänomen, .war mir das Bild doch innig angemaßt.* Voll Herz und Magie berührten ihn diese Verse wie die Gestalt des jungen Mädchens selbst, der Unbekannten, deren Bild er immer wieder zu formen versucht. Indem er dieses fremde Wesen deuten will, ist er zugleich auch der Leitende, der Belehrende. Wer wüßte nicht besser freilich als Rilke, daß alles Ungenügen Ist, mit dem wir zu begreifen, zu erreichen suchen.

Neue Stücke Rilkescher Poesie erschließen sich uns wieder: das .Lied vom Rosenduft*, die .Liebenden* und .Dauer der Kindheit“ 1 Aber auch die Gedichte unserer heimischen, heute längst bekannt gewordenen Dichterin, in gewissem Sinn einfacher, bleiben immer wirksame Zeugnisse einer frühreifen Leistimg.

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