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Einzig das Lied überm Land

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Zu zwei lyrischen Publikationen der österreichischen Verlagsanstalt, Innsbruck: „Persephone und sieben Kapitel vom Sterben der Kreatur“ von Martha Hoimailn (40 Selten) und „überall auf unsrer Erde“, Gedichte von Johann Gunert (110 Seiten)

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Zu zwei lyrischen Publikationen der österreichischen Verlagsanstalt, Innsbruck: „Persephone und sieben Kapitel vom Sterben der Kreatur“ von Martha Hoimailn (40 Selten) und „überall auf unsrer Erde“, Gedichte von Johann Gunert (110 Seiten)

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Die Zeit, da Stefan Georges ästhetischer Wille zur Macht die Selbsterlösung des Menschen im „Lied überm Land, das heiligt und feiert", verkündete, ist unter Schutt undTrüm- mern begraben worden. Die apokalyptischen Visionen von Tod und Untergang, von Angst und Bedrängnis suchen auch den Lyriker der Gegenwart heim, und doch ist ihm aufgegeben, die Mächte des Chaos zwar nicht im Lied zu feiern, wohl aber durch die neue Form zu bannen.

Das schmale Bändchen „Persephone“, das die Dichterin Martha Hofmann ihrem Gedichtband „Die Sternenspur" in jüngster Zeit folgen ließ, könnte den unbefangenen Leser zunächst wie eine Flucht in den antiken Mythos, der den eleusinischen Mysterien zugrunde liegt, anmuten oder ihn die Verse, die die Königin der Unterwelt hymnisch feiern, in jenen literarischen Vorgang einordnen lassen, der den Tod und das Sterben ästheti- sierend vergottete. Hat er aber die zweiteilige mythische Dichtung „Persephone" zu Ende gelesen und kommt zu den „6ieben Kapiteln vom Sterben der Kreatur", in denen der Geist der Apokalypse weht, einer Apokalypse, die der Mensch der Gegenwart verschuldet hat, so bekommt dieser 6chmale Versband plötzlich ein ganz anderes Gesicht und Gewicht, und es wird in ihm noch einmal das Wesen des Abendlandes offenbar, das sich aus dem antiken Mythos und der biblisch-christlichen Überlieferung gebildet hat. Wenn die Dichterin ihr Buch, das wiederum von ihrer Bild- und Formkraft Zeugnis ablegt, trotzdem mit der Zeile beschließt „der Liebe Stünde folgt auf die des Weltgerichts", dann wollen wir mit ihr hoffen, daß der Leser das dialektische Sinnbild dieser Dichtung verstanden hat, das uns zurückrufen will aus den Wüsten des Todes in die erlösende Liebe Gottes.

Auch Johann Gunert hat die Zeichen unserer Zeit gesehen und weiß: „überall auf unsrer Erde ist die Notzeit angebrochen." Sein Anliegen ist es, dem geschlagenen und geschändeten Menschen der Gegenwart ein mahnendes Spiegelbild vörzuhaEen, das an harter, ja oft krasser Realistik nichts zu wünschen übrig läßt, daß aber diesem „Menschen in Bedrängnis" gleichzeitig einen Weg der Überwindung weisen will, indem es ihn wieder auf die ewigen Werte des Schönen und Guten eindringlich verweist. Dieser Band, der nach des Dichters „Irdischer Litanei“ und den „Van Gogh-Sonetten“ die bisher reichste Sammlung seiner Gedichte enthält, zeigt den Lyriker in einer Vielseitigkeit, die manchen seiner bisherigen Leser in Erstaunen setzen wird. Ihm ist das Wagnis gelungen, die schlichte Sprache des Alltags, die vom kleinen und vom großen Leid gefärbt ist, zum Instrument des aufweinenden und auch aufsingenden Herzens zu machen. Die malerische und musikalische Begabung des’ Dichters spiegelt sich in den besten Natur- und Bildgedichten des Bandes. Neben den dunklen Kriegs- und Leidgedichten finden sich Stücke, in denen das Licht eines fröhlichen Herzens, einer an die Schönheit hingegebenen Seele leuchtet. Gunert macht selbst wahr, was er vom Dichter in diesem Bande auesagt:

„Lächeln unter Schmerzen und au6 Liebe weinen,

irdisch, aber ohne irdisdies Gewicht.

So beschaffen, ist er selbst mit Gott im reinen und die Welt versöhnt er wieder im Gedicht.“ Hier klingt tatsächlich ein „Lied überm Land", das den Schmerz heiligt und das Leid im Mitleid feiert. Und nur aus dieser Kommunikation mit dem Leide aller, werden wir die Kraft gewinnen, das Böse und das Übel zu überwinden. Martha Hofmann und Johann Gunert, die Stimmen einer Frau und eines Mannes, 6ie mahnen stellvertretend, „für die, die ohne Stimme sind“

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