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FRANZ JOSEF SCHÖNINGH / EIN FREIER DEUTSCHER KATHOLIK

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Die deutsche Freiheit und der deutsche Katholizismus haben einen unersetzlichen Verlust erlitten. In den Morgenstunden des 8. Dezember ist in München Franz Josef Schöningh der tückischesten leiblichen Krankheit unserer Zivilisation erlegen. Eine breitere Öffentlichkeit hat ihn als Mitbegründer, Mitherausgeber der „Süddeutschen Zeitung“ und Leiter des „Süddeutschen Verlages“ gekannt. Den Gebildeten im Weltkatholizismus in allen Kontinenten ist sein Name als Herausgeber des „Hochland“ bekannt. Wenigen war die starke, einmalige Persönlichkeit dieses Mannes vertraut, der hinter seinem Werk zurücktrat: als ein treuer Diener seines Herrn. Die Parte hält sehr genau fest: „Gott der Allmächtige hat Seinen Diener Dr. Franz Josef Schöningh am 8. Dezember 1960 zu sich genommen.“ Schöningh diente seinem Gott frei, froh, ohne Angst vor den Menschen: ohne Illusionen. Dieser deutsche Mann war, nach dem frühen Tod der Jesuiten Delp und Ivo Zeiger, der offenste, ehrlichste Mahner des Gewissens des deutschen Katholizismus. Ein Sturm der Entrüstung und ein Sturm der Zustimmung erhob sich gegen diesen großen Konservativen, als er in seinem Leitaufsatz zum 50. Gebwrfsfag des „Hochland“ den Katholizismus in der Bundesrepublik zur Gewissenserforschung aufrief, im Oktober 1957. In diesem unvergeßlichen Dokument steht der Satz: „Wir sollten nicht vergessen, daß 1933 fast alle katholischen Organisationen nicht etwa nach zähem Widerstand, sondern wie Kartenhäuser vor einem einzigen Windstoß zusammenbrachen.“ In einem der letzten der von ihm redigierten Hefte des „Hochland“ i960 stand eine Arbeit über den schmählichen Treuebruch, den der letzte Führer des Zentrums, Prälat Kaas, kurz bevor e r sich nach Rom absetzte, an seiner Partei, am gesamten deutschen Katholizismus, beging, indem er dessen Sache Hitler anvertraute. Das allerletzte eben erschienene Heft eröffnet mit einem Aufsatz über „die Kirche an der Schwelle der Z u-kutft“. Kirche und Zukunft! Beiden galt die innerste Sorge dieses Mannes, der alles eher als ein Revoluzzer war oder auch nur ein Kritikaster. Franz Josef Schöningh wurde am 25. Juli 1902 als Sproß der bekannten katholischen Verlegerfamilie in Paderborn geboren. Westfälische Zähigkeit, Umsicht, Klugheit haben diesen Mann geprägt. Schöningh studierte an den Universitäten Freiburg, Berlin und München Volkswirtschaft und Geschichte und promovierte 1926 mit einer Arbeit über den österreichischen Staatsmann Karl Ludwig von Bruck zum Doktor der Volkswirtschaft. Ein deutscher Nachruf hält fest: „Schon von der Beschäftigung mit diesem Stoff blieb ihm eine geistige Orientierung, die entschieden mehr nach Wien als nach Potsdam- gerichtet war.“ Schöningh hat, auch dies ist im tieferen Sinn kein Zufall, in den letzten Monaten des letzten Krieges in Wien bei Freunden Schutz gesucht und gefunden, die ihn hier verbargen. Seine Berghütte in Tirol wurde für ihn, einen leidenschaftlichen Jäger, oft zum inneren Re-fugium in diesen letzten Jahren. Seine Enkeltochter erhielt den Namen Maria Theresia. Ganz ohne jede Schwärmerei, die diesem nüchternen Mann zutiefst fremd war, liebte dieser Deutsche die Humanität und die politische Weisheit des alten Österreich.

Wenn etwas als spezifisch „österreichisches“ im Wesen und Lebensweg dieses Mannes angesprochen werden darf, dann wohl dies: die Fülle der Verantwortung, der ihm aufgetragenen Arbeiten ließ sein eigenstes Werk stark zurücktreten. Wohl hat Franz Josef Schöningh als Mitarbeiter, Leitartikler und Verfasser von Glossen in den ersten Jahren der „Süddeutschen Zeitung“ und in einigen von Freund und Feind vielbeachteten Aufsätzen im „Hochland“ meisterlich die Feder geführt und in großer Behutsamkeit redlich und rechtlich seine Volksgenossen und Glaubensgenossen zur Besinnung gebeten: zur geistigen und politischen Gewissenserforschung. Immer seltener kam er, zur eigenen publizistischen Arbeit. Zutiefst bekümmerte ihn der Mangel an Freiheitssinn in seinem Volk. Die Tatsache, daß dieses Volk seit 1848 für die Freiheit sein Blut gab, „wenn sie verloren war, aber keines, um sie zu behaupten“. Mit dieser politischen Sorge war ihm untrennbar die religiöse Sorge verbunden: sein tiefer Einblick in den Mangel an Freiheitssinn, an intellektueller Redlichkeit, an Achtung des andersdenkenden Nächsten im deutschen Katholizismus. Schöningh ist in den letzten Jahren ganz von selbst, einfach durch sein Denken, zum geistigen Schirmherrn der sich nicht an den diversen Hexenjagden beteiligenden wachen einzelnen im deutschen Katholizismus geworden. Man hat ihn deshalb als „Liberalen“ beschimpft und dabei übersehen, daß europäischer Katholizismus nur gewachsen ist im Kampf um die Libertas ecclesiae und daß Deutschland ohne echte Libertät den Dämonen und einer düsteren Mediokrität verfällt. Schöningh ist an der Schwelle einer neuen Zeit gestorben, in dem beide, das deutsche Volk und der Katholizismus, mit neuen Mitteln und auf neuen Wegen um ihre Freiheit werden ringen müssen. Sein Erbe bedeutet für beide eine schwere, ernste Verpflichtung.

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