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FRITZ HOCHWALDER /..ICH BIN NUR EIN THEATERSCHREIBER

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Als der österreichische Dramatiker Fritz Hochwälder im Jahre 1956 erfuhr, da\] ihm der Grillparzer-Preis zugesprochen werden sollte, meinte er zu Freunden: „Das kann gar nicht gut ausgehen, ich verdien ihn doch nicht.“ Das geschah zu einer Zeit, da drei seiner Stücke, „Das heilige Experiment“ (1947), „Der öffentliche Ankläger“ (1949) und „Donadieu“ (1954), am Burgtheater aufgeführt worden waren und darüber hinaus das Publikum mehrerer Kontinente in vielen Sprachen und Theatern begeisterten.

Fritz Hochwälder ist — nach eigener Aussage — „zweihundertprozentiger Österreicher“ und als solcher abgrundtiefer Pessimist. Falls es dazu noch eines weiteren Beweises bedarf: ein Wiener Reporter erzählt, er hätte dem Dichter nach der Pariser Premiere des „Heiligen Experimentes“ zu seinem Erfolg gratuliert, worauf ihm Hochwälder erwidert habe: „Sehr nett, daß Sie mich trösten wollen, aber so dumm bin ich auch nicht, daß ich einen hundertprozentigen Durchfall nicht von einem Erfolg unterscheiden kann.“ Nach Ansicht des Gratulanten hatte es sich um einen der triumphalsten Erfolge gehandelt, den er je in Paris erlebte.

An dem Nurdramatiker („anderswo versage ich, da ich nicht schreiben kann, was mich nicht interessiert“) könnte man die Wesenszüge des Österreichers schlechthin ablesen: Fritz Hochwälder ist alles Theoretisieren zuwider, Übertreibungen haßt er (so heißt keines seiner Stücke, wiewohl es bei einigen gerechtfertigt wäre, „Tragödie“), und er ist persönlich so bescheiden, daß er den internationalen Erfolg seiner Theaterstücke nicht auf ihre Güte zurückführt, sondern „weil unter Blinden leicht der Einäugige König für einen Tag wird“.

Nun, der Tag dauert schon ziemlich lange. Vor kurzem wurde Fritz Hochwälder der von der Vereinigung österreichischer Industrieller gestiftete Anton-Wildgans-Preis „für sein Lebenswerk“ zuerkannt.

Die Biographie des „Theaterschreibers“ aus Wien verläuft ohne äußere Sensationen. Am 28. Mai 1911 als Sohn eines Tapezierermeisters geboren, wird er für das väterliche Handwerk bis zur Meisterprüfung ausgebildet. Dankbar gedenkt er der Wiener Volkshochschule „Volksheim“, die ihn in die Welt des Geistes einführte, dankbar früher Theaterbesuche, vor allem Raimundscher und Nestroy-scher Stücke. In dem 1959 in einer englischen Zeitschrift veröffentlichten Artikel „Über mein Theater“ bekennt der Dichter: „Die Theatereindrücke, die ich in meiner Jugend empfing, waren im besten Sinn wienerische. Sie sind es, die meine Bemühungen als Bühnenschriftsteller immer wieder bestimmen, auch an fremden Stoffen, im fremden Gewand und an fremden Orten. Die Tradition, der ich mich zugehörig fühle, ist die des Wiener Volkstheaters. Und nichts, keine Zeitwidrigkeit, kein Exodus, kann eine Tradition, die man einmal in sich aufgenommen hat, verdrängen und ersetzen. Die Wiener Luft hat mir Unschätzbares gegeben: Klarheit des Gedankens, Sinn für Form, Theaterblut. Freilich, ich bezeichne mich nicht unbedingt als Schriftsteller', mit Vergnügen bleibe ich Analphabet, um auf meine Weise Stücke auf die Bretter zu stellen — unliterarisch, unprätenziös, volkstümlich.“

In der Praxis hatte das zunächst so ausgesehen, daß der junge Handwerker Nacht für Nacht im Cafi saß und zu seinem eigenen Vergnügen „eine Anzahl von schlechten Stücken“ schrieb. Zu einer ersten Studioaufführung kam es 1932 in den „Kammerspielen“, ohne daß „Jehr“ es zu mehr als unfreiwilliger Heiterkeit brachte. Beachtung hingegen fand vier Jahre später im „Theater für 49“ das Lustspielchen „Liebe in Florenz“. Dann kam die große Cäsur: 1938 heimatlos geworden, blieb Hochwälder nach monatelangem vergeblichem Warten auf ein Ausreisevisum nichts anderes übrig, als die Schweizer Grenze illegal zu überschreiten. In Zürich, wo er bis heute als österreichischer Staatsbürger ansässig ist, erfolgte dann der legitime Durchbruch zum Dramatiker: ,JDa mir, gleich den meisten meiner Schicksalsgenossen, jede wie immer geartete Erwerbstätigkeit untersagt war, blieb mir nichts anderes übrig, als meine bisherige Liebhaberei in Form einer brotlosen Ganztagsbeschäftigung fortzusetzen.“ Entscheidend wurde jetzt die Freundschaft mit Georg Kaiser. Ein „Esther“-Drama (bis heute nicht zur Aufführung freigegeben), das sich mit der Frage des Judentums auseinandersetzte, wurde der Auftakt zum ersten Meisterwerk, dem „Heiligen Experiment“. Als der Krieg zu Ende war, hatte Fritz Hochwälder drei fertige Stücke in der Schreibtischlade. Sein internationaler Erfolg begann.

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