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Genealogie und Kirchengeschichte

19451960198020002020

Genealogische Streifzüge durch die Weltgeschichte. Von Georg Armborit. Verlag A. Francke, Bern, und Leo Lehnen, München. 140 Seiten. (Sammlung Dalp-Taichenbücher Nr. 334.)

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Genealogische Streifzüge durch die Weltgeschichte. Von Georg Armborit. Verlag A. Francke, Bern, und Leo Lehnen, München. 140 Seiten. (Sammlung Dalp-Taichenbücher Nr. 334.)

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Um dieses Büchlein voll zu würdigen, müßte man einen dickleibigen Band schreiben. Auf jeder Seite regt es zum Nachdenken, zum Weiterforschen über Probleme an, die der Autor, angesichts des ihm vorgezeichneten Umfangs seiner Arbeit, doch nicht nur deshalb, höchstens streift. Da werden, ziemlich wahllos, Ahnentafeln berühmter Menschen dargeboten, beginnend mit den Ptolemäern (eine vorangestellte Skizze über die vier Großeltern des Pharaons Echnaton ist ohne Belang) bis zum unglückseligen Sohn Kaiser Nikolaus II. von Rußland. Das Gemeinsame, das diese Aszendenzen miteinander verbindet, liegt im mehr oder weniger starken Ahnenverlust (Ahnenschwund), der sich als Folge einer engen Gattenauslese innerhalb eines endo-gamen Kreises ergibt, hier der exklusiven Herrscherschicht. Armborst trachtet, Wesen und Charakter der von ihm erkorenen Probanten aus dem Ahnenerbe zu erklären, dessen positive oder negative Wirksamkeit zu schildern und daraus, sehr behutsam, allgemeingültige Schlüsse zu ziehen. Ihn beschäftigen vordringlich die Fragen der Entartung (Degeneration) und der Inzucht. Das Thema ist für den knappen Raum zu weit gespannt. Eine Beschränkung auf ganz konkrete Phänomene, zum Beispiel auf Vererblichkeit der Mehrlingsgeburten, der Bluterkrankheit, geistiger Minderbegabung, wäre vorzuziehen gewesen. Die Analyse der einzelnen Ahnentafel beruht auf Informationen aus zweiter und aus dritter Hand, nicht aber auf sorgsamer Betrachtung des quellenmäßig beleuchteten Materials über jeden auf jeder Tafel erscheinenden Vorfahren. Dabei werden begreiflicherweise die herkömmlichen Urteile wiederholt, die in ihrer Verschwommenheit nichts oder in ihrer Tendenz Falsches melden, wie zum Beispiel die Meinung, Kaiser Franz I. (II.) sei „geistig völlig unbedeutend“ gewesen, Karl VI. ein „stolzer, pflichtbewußter, aber wenig befähigter Herrscher“. So wichtige und biologisch bedeutsame Fakten, wie die Vererbung der Homosexualität an das vordem höchst normal veranlagte Hohenzollern-haus durch die Verbindung mit einer Enkelin des poitevinischen Adelsfräuleins Eleonore Desmiers d'Olbreuse, sind überhaupt nicht erwähnt. Zu jeder der erörterten Ahnentafeln ließen sich Einwendunsen vorbringen und stets wäre auf unaufqedeckte Zusammenhänge hinzuweisen. Das betrifft schon die Tabellen aus dem Altertum.

Was ist zum Beispiel an der Ahnentafel Ptole-maios XII. von Aegypten am interessantesten? Daß sie haargenau das gesamte Ahnenerbe des syrischen Königs Antiochos X. Eusebes aufweist. Worauf dann auf die den Historikern völlig unbekannte und den Biologen kapital wichtige Tatsache die Aufmerksamkeit zu lenken wäre, daß die Sprossen der Diadochen im ersten vorchristlichen Jahrhundert sämtlich miteinander identische Ahnenschaft besaßen, als wären sie Vollbrüder gewesen! Oder dieses: Der Autor verbreitet sich über die üblen Aussaaten, di; vom Samen der bösen Visconti ausgingen„ gedenkt jedoch mit keinem Worte des berühmtesten Beispiels jener Teufelsbrut, der schlimmen Königin Isabeau von

Frankreich und ihrer Rolle im englisch-französischen Krieg I

Wir haben noch einen schweren Einwand: ein Büchlein, .das sozusagen durch Kostproben Propaganda 'für neuartige und wertvolle geistige Nahrung machen will (und soll), müßte eine strenge Auswahl vornehmen und nicht den Raum an historisch wie biologisch im Hintergrund beharrende Gestalten, wie die Gräfin von Hoditz oder die Gräfin Montignose, verschwenden. Wenn man sich schon auf die Sphären der Kaiser und Könige beschränkt — und dem ist aus praktischen Gründen, wegen der leichteren Beschaffung des Materials, beizupflichten —, dann

sei die Auslese wirklich repräsentativ. Sie umfasse nur die ragendsten geschichtlichen Gestalten oder die lehrreichsten Beispiele der Wirkungen des Ahnenverlusts, der vererbten Anlage zu geistiger Krankheit oder der Mehrlingsgeburt usw.

Ungeachtet aller Vorbehalte hat die Schrift Arm-borsts ein doppeltes und großes Verdienst. Sie rührt, grundsätzlich mit der richtigen Methode, an vordringliche und dennoch nur selten — und dann zumeist falsch — gestellte Fragen der historischen und biologischen Forschung: sie betritt in mancher Hinsicht wissenschaftlich sehr fruchtbares Neuland. Univ.-Prof. Dr. Otto Forst de BattagUa *

Dokumente zur Geschichte der Kirche. Von

Michael Pfliegler. Zweite, neubiarbeitete und vermehrte Auflage. Tyrolia-Verlag, Innsbruck-Wien-München. 73 8 Seiten. Preis 140 S.

Trotz der Ungunst der Zeit war die erste Auflage dieses heute unentbehrlichen Buches in der Handbibliothek eines jeden Religions- und Geschichtslehrers an höheren Schulen kurz nach dem Erscheinen, 1938, vergriffen. Mit großem Geschick versteht

es der „feinfühlige Zeitdiagnostiker“ Pfliegler in diesen weithin verstreuten Dokumenten das unmittelbare Zeugnis der Geschichte in der lebendigen Begegnung von Kirche und Welt aufzurufen. Gegenüber der ersten Auflage bringt die zweite 130 Dokumente mehr; die 192 Stücke, die aus der ersten übernommen sind, wurden überprüft, zum Teil überarbeitet, davon sind acht in neuer Fassung geboten. Die einzelnen Dokumente sind in der neuen Auflage fortlaufend numeriert. Ein lebendiger Unterricht in der Geschichte ist ohne Einsicht in ihre Quellen undenkbar. Pflieglers Handbuch mit der sorgfältigen Sammlung und Auswahl des Notwendigen, von den Anfängen der Kirche bis in die neueste Zeit, ist über die Zeiten hinweg greifbarer Ausdruck der wichtigsten Entscheidungsstunden der Kirche, wie sie sich in ihrer langen Wanderung dem Katholiken zeigt und zwar so, wie sie ist, keine Ideal- oder Aestheten-kirche, keine Gralsburg auf Erden, vielmehr die Kirche derjenigen, die „Christum angezogen haben“

(Rom 13, 14). Jeder Lehrer und Seelsorger, der Antwort zu geben hat auf die vielfältigen Fragen der Zeit, wird dem Herausgeber dieses äußerst wert-/ vollen und willkommenen Handbuches vom Leben der Kirche in Zeugnissen aus zwei Jahrtausenden schuldigen Dank wissen.

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