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Glanz und Untergang der Komnenen

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DIE KRONE DER KOMNENEN. Die Regierungszeit der Kaiser Joannes und Manuel Komnenos (1118 bis 1180). Aus dem Geschichtswerk des Niketas Choniates. Uebersetzt, eihgeleitet und erklärt von Franz Gabler. Byzantinische Geschichtschreiber, Band VII. 3Ä Seiten, 2 Bilder, 3 Karten. Preis 83.50 S.

ABENTEURER AUF DEM KAISERTHRON. Die

Regierungszeit der Kaiser Alexios II., Andronikos und Isaak Angeles (1180 bis 1195). Aus demselben Geschichtswerk von demselben Bearbeiter. Byzantinische Geschichtschreiber, Band VIII. 291 Seiten, 2 Bilder, 3 Karten. Preis 83.50 S. — Beide Verlag Styria, Graz.

Die vortreffliche, von Prof. Ivänka herausgegebene Reihe ist durch zwei weitere Bände bereichert worden. Wir wagen die Behauptung, daß auch der Durchschnittsleser, dem an byzantinischer Geschichte sonst wenig gelegen ist, diesen Bänden viel Vergnügen verdanken wird. Das kommt daher, weil eine Gestalt im Mittelpunkt der Erzählung beider Bände steht: der erstaunliche Andronikos Komnenos: eine Gestalt wie entsprungen aus der Phantasie eines Roman- oder Drehbuchschreibers. Sein Leben besteht aus Episoden, welche den Fortsetzungsheften eines Hintertreppen romans entsprechen: unerwartete Gefahren, unglaubliche Rettungen, Intrigen und Verschwörungen, Morde und Liebeshändel. Der zwei Meter hohe Mann war, zu allem anderen, für Frauen unwiderstehlich wie Frank Harris in seinen Erinnerungen — und beiläufig ebenso zuverlässig. Damit kein Ingredienz des Sensationsfeuilletons fehlt, kommt auch, ä la Burgess & Maclean, ein plötzliches Verschwinden und Auftauchen in Rußland vor. . Als Andronikos endlich den Wunschtraum, die Kaiserkrone, erreicht — natürlich durch einen besonders abscheulichen Mord —, ist er nun plötzlich der sozial denkende Herrscher: die kleinen Leute werden beschützt, die Bürokraten strengstens kontrolliert, die Edelleute verfolgt und gemordet. Diese Mischung von Eroll Flynn, Kaiser Joseph und Martin Bormann hat aber als Lieblingslektüre die Episteln des hl. Paulus! Und als er endlich gestürzt und vom Großstadtmob in einer ausgesucht scheußlichen Version von Piazzale-Loretto- Volksfest zu Tode gemartert wird, stirbt er mit erbaulichen Gebeten . .. „Es ist unmöglich“, möchten wir einen bekannten Slogan abwandeln, „von Choniates nicht gefesselt zu sein!“

Dažu gibt der Chronist die Schilderung der Kom- nenischen Glanzzeit, als Kaiser Manuel mit Friedrich Rotbart um die Herrschaft im alten Rom ringt; Seitenblicke auf die Völker Europas, die in manchem Charakterzug heute noch stimmen; politische Wahr nehmungen, die man belustigt als hochaktuell empfindet . ..

Der Text ist in wohlverständlichem, flüssigem Deutsch wiedergegeben. Dies ist um so dankenswerter, als Choniates als echter Byzantiner eine förmliche Leidenschaft für stilistische Mätzchen, Proustsche Satzungetüme und klassische Floskeln hat. Allenfalls hätte der Uebersetzer seine Sätze noch übersichtlicher machen und dem Original näherkommen können, wenn er es unterlassen hätte, die zusammengesetzten Wörter der griechischen Hochsprache in Nebensätze aufzulösen. — Hohes Lob und häufige Nachahmung verdient ein Vorzug des Werkes: bei den unzähligen klassischen und biblischen Zitaten und Anspielungen wird auf den Ursprung verwiesen. O si sic omnes! — wären doch alle, die mittelalterliche Geschichte schreiben wollen, ebenso bibelfest!

In einer Kleinigkeit können wir den Standpunkt des Uebersetzers nicht teilen. Er nennt die Byzan tiner „Rhomäer". Zugestanden, diese Schreibung ist korrekter. Wir möchten aber immer „Romäer schreiben — denn nur so wird dem Leser die Beziehung zu Rom nahegebracht, und diese Identität des Römischen Reiches ist ja der Inhalt alles byzantinischen Selbstbewußtseins.

Die Reichhaltigkeit der Anmerkungen können wir nur kurz erwähnen. Beide Bände scheinen uns bemerkenswert frei von Druckfehlern zu sein. Allerdings ist es auch diesem wachsamen Herausgeber erst beim zweiten Band gelungen, seinem Setzer den Unterschied zwischen „Kaiser“ und „Kaisar“ klarzumachen. Doch dieser Unterschied ist ein altes Kreuz für die Byzantologen, und wir pflichten dem Bearbeiter von Herzen bei, daß man am besten gleich „Caesar“ sagt, um den Setzer nicht in Versuchung zu führen ...

Erfreulich sind die reichlichen Landkarten und die bei ihrer Schönheit allzu wenigen Bilder.

Sollte ein Leser sich gezwungen sehen, zwischen beiden Bänden zu wählen (traurige Notwendigkeit!); dann sei der Hinweis erlaubt: Der VII. Band der Serie beschreibt die Blütezeit der Komnenen, der VIII. deren Krise und die Nachfolge der Angeloi.

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