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HANS FABIGAN / DIE WAHRHEIT AUF DIE STRASSE

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Es gibt Zeichner und Maler, die sich „nebenbei” auch als Werbegraphiker betätigen, etwas verschämt, brav den Eingebungen des bestellenden Herrn Direktors folgend, damit dieser beim Unterschreiben der Honoraranweisung in guter Laune ist. Die Werbung sieht aber auch darnach aus: Konzessionen an die Auftraggeber, Konzessionen an ein Publikum, unter dem es, wie ein Wiener Kritiker einmal schrieb, „leider sehr viele Menschen gibt, die sogar lieber Steuern zahlen als denken”.

Hans F ab igan, Wiens führender Plakatgraphiker von internationalem Ruf, muß keine Konzes sionen machen — entweder die Auftraggeber akzeptieren seine Ideen und Entwürfe oder er lehnt ab. Das Publikum, der ominöse „Mann auf der Straße”, reagiert teils positiv, teils mit anonymen Telephonanrufen, in denen man dem Künstler rät, doch lieber auszuwandern. (Damit seine Affichen den großformatigen Waschmittel-Schönheiten und dem treuherzig-bunten Malzkaffeenaturalismus nach dem Geschmack der Pepi-Tant’ nicht den Platz wegnehmen.) Doch Fabigan bleibt. Er ist eben, wie er selbst sagt, kein Weltumsegler. Als junger Mensch ließ er sich den scharfen Wind des alten tollen Berlin vor 33 um die Nase wehen, arbeitete als Modezeichner und Karikaturist, aber heute, mit zweiundsechzig Jahren, ist er noch immer in seiner engsten Heimat zu Hause, in jenem Wiener Viertel „Unter den Weißgärbern”, dem auch Anton Wildgans entstammte. Der Graphiker bleibt, nicht zuletzt deshalb, weil er hier, im werblichen Notstandsgebiet, am richtigen Platz ist. Wien braucht Fabigan. Daß es ihn noch hat, darf man nur als Glücksfall betrachten.

Der lebhafte, wortgewandte Mann verschrieb sich ganz der Plakat- und Ausstellungsgestaltung, ohne dabei zum Spezialisten mit Routineleerlauf zu entarten. „Vielfach wird beim Plakat versucht, einen Blickfang zu geben. Ich gehe darüber hinaus und möchte einen .Denkfang’ erreichen.” Statt des Knalleffektes, statt des optischen Tschinellenschlages also eine intellektuelle Pointe. Da gibt es keine bequemen, bewährten Rezepte, jedem neuen Auftrag, sei es nun ein Plakat für einen Markenartikel oder für eine Ausstellung der Albertina, stellt sich Fabigan mit seiner ganzen Persönlichkeit. „Im Interesse des Plakates ist alles erlaubt!” Die Kombination verschiedenster Elemente, ihre Umdeutung, Umsetzung und Verfremdung, ist auf diesem Gebiet durchaus legitim. Fabigan ordnet die Mittel, auch wenn sie aus dem Bereich der „hohen Kunst” kommen, einzig dem Zweck unter, arbeitet mit eigenen graphischen Gestaltungen und fremden Vorlagen und wählt unkonventionelle Ausschnitte, wie etwa bei dem interessanten Schriftplakat für die Wiener Herbstmesse 1959, das in Wien selbst im Kreuzfeuer der Meinungen stand, in Zürich aber, in der Schau „Meister der Plakatkunst”, viel Beachtung fand.

Auswendig weiß Fabigan gar nicht, wie viele „Monatsbeste” und „Beste des Vierteljahres” er in der Plakataktion „Galerie der Straße” errang. Das Verzeichnis äußerer Ehrungen seines Schaffens weist Staatspreise, den Preis der Stadt Wien und den Förderungspreis des Unterrichtsministeriums auf. Seine eigenen Plakate sind in vielen Museen der ganzen Welt zu finden, er selbst besitzt die größte Plakatsammlung Österreichs.

Es ist nicht verwunderlich, daß sich eine Potenz wie Fabigan auch publizistisch und auf dem Podium mit dem Plakat und der Werbung als Zeitproblem auseinandersetzt. Seinem Naturell gemäß, erörtert der Professor — er unterrichtete einige Jahre in der Modeschule Hetzendorf — die Themen nicht von der Warte des Besserwissers, sondern springt wellenschlagend mitten hinein. Seine Vorträge, in temperamentvoller, an handfesten Vergleichen und originellen Gidan- kengängen reicher Sprache formuliert, tragen plakative Titel wie „Ars oder Farce” oder — für seine ganze Einstellung kennzeichnend — „Die Wahrheit auf die Straße”. Mit zwingender Logik gibt er etwa zu bedenken: „Nicht der Geschmack des Publikums ist schlecht, denn sonst müßten die Grenzen des guten Geschmacks ja mit den Landesgrenzen zusammenfallen. Oder zahlen die kapitalistischen Mäzene an das schweizerische Publikum Riesensummen, um es zu bestechen, so gute Plakate zu akzeptieren? Oder verführen die politischen Kommissare das gutmütige polnische Volk zu seinen guten Plakaten?” Fabigans eigener Leitsatz aber verdiente wohl, ins Stammbuch der Öffentlichkeit geschrieben zu werden. Er lautet: „Der Plakatgraphiker muß sich in das Verantwortungsbewußtsein eines Chirurgen fühlen. Sieht er nur den bezahlten Auftrag vor sich, wird er zum Schlächter am Geist und im Geist!”

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