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Hoffnung für zwei Groschen

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Die Komödie ist, so meint Martin Schlappner in seinem großartigen Buch „Von Rossellini zu Fellini”, ganz und gar kein Widerspruch zum Neorealismus. Die Wirklishkeit des Lebens kenne keine Unterscheidung zwischen hohen und niedrigen Gegenständen, aber auch nicht zwischen ernsten und heiteren. So konnte tatsächlich im Klima des konsequentesten Neoverismo auch die lebensfrohe Komödie Renato Castellanis erblühen, deren ersten drei Sätzen („Unter der Sonne von Rom”, „Es ist Frühling” und „Für zwei Groschen Hoffnung”) nunmehr das vorläufige bezaubernde Finale des Quartetts folgt: „Träume in der Schublade” (Originalfassung: Studio I). Die klassische Maxime der Komödiendramaturgie etwas variierend, versprüht der Film 70 Minuten lang tiefsinnige Heiterkeit um die Liebe und junge Ehe eines Mediziners und einer Chemiestudentin und stürzt in den letzten Minuten abrupt in eine echte Tragödie: den Tod der jungen Frau bei der Geburt ihres Kindes — zur selben Stunde, da ihr Gatte als Distriktsarzt einer anderen Gebärenden assistiert. Kein hoffnungsloser Schluß: Der Film endet mit der Hingabe des Mannes an seinen Beruf und sein Kind, wie überhaupt dieser komödiantische Neoverismo viel lebensbejahender und optimistischer ist als sein grauer Bruder, der sich freilich von Rosselini zu Fellini auch bedeutend nach der lichteren Seite hin gewandelt hat.

Hoffnung ist auch noch im zermürbenden Konflikt zweier Frauen um ein im Krieg verschollenes Kind. „Das geteilte Herz”, ein englischer Film, wägt gewissenhaft die Standpunkte und drückt sich auch nicht um eine überzeugende Lösung. — Laßt die Hoffnung fahren, scheint über jenen dunklen, unterirdischen Wegen von Warschau zu stehen, in denen während des zweiten Aufstandes 1944 eine Kompanie polnischer Freiheitskämpfer dem bitteren Ende entgegengeht. Der polnische Film „D e r Kana 1”, längst zu den Klassikern des Resistancefilms zählend, erspürt noch in der dunklen Hölle des Unterganges das Licht der Liebe, des menschlichen Sieges in der Niederlage.

Aber, wir leben wieder sozusagen im Frieden, essen gut und fett, und dementsprechend wandelt sich auch die Gängigkeit der Filmware. Da biegt sich ein Mann wie Duvivier brutal Zolä’sche bittere Sozialkritik zurecht und macht aus dem „Vordertreppenroman” die unglaublich freche und sexualzynische Komödie „Immer, wenn das Licht aus geht”. Da rutscht Rolf Thiele, auf dessen moderne Gesellschaftskritik wir seit dem „Mädchen Rosemarie” einige Hoffnung setzten, in der österreichischen Unglückskomödie „Die Halbzarte” tief in die Gefilde undelikater, Satire vorgebender Zoten ab. Wohlstandsfilme, weitab von Menschentum, Untergang und Bewährung. Träume in der Schublade, die fett ist von Prosperity und zuviel Wurst und Butter.

Ein fades deutsches Zirkusdrama, „Geliebte Besti e”, unterdurchschnittliche Lustspiele - und Operetteh, wie „S c h 1 a.g auf Schlag” und „Gräfin Mariza”, gehören auch noch irgendwie dazu.

In ungemütlicherer Zeit, unter der Regie des Spinners Steinhoff, entstand der deutsche „Rembrandt”-Film. Da wir seine großen Konturen Wiedersehen, schämen wir uns fast: wie weit wir’s eben gebracht, im Frieden und im fetten Wohlstand.

Doch gibt es — siehe oben — auch noch Hoffnung auf den Film. Wenigstens für zwei Groschen.

Filmschau (Gutachten der Katholischen Film- kpmmission für Oesterreich), Nr. 8, vom 21. Februar 1959: II (Für alle zulässig)-! „Menschen, Meter und Sekunden” , „Die Tanzmeister” — III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Die unglaublichen Abenteuer des Herkules” — IV (Für Erwachsene): „Der Ritt zurück” — IVa (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Dorothea Angermann”, „Mit dem Kopf durch die Wand”, „Petersburger Nächte”, „Schlag-auf Schlag”. — — bemerkenswerte Filme.

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