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Huldigung an die Frau

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WIEDERKEHR DER VENUS. Berühmte Künstler und ihre Modelle. Von Fritz Würthle. Verlag Albert Langen-Georg Müller, München-Wien, 1962. 33 Abbildungen, 275 Seiten. Preis 18.50 DM.

Der Untertitel ist vielleicht ein wenig irreführend: denn nicht to sehr der Künstler ist es, der in den meisten Porträts dieses Büches im Mittelpunkt steht, sondern das Modell, die Frau. Was hat diese Frauen ausgezeichnet, stellvertretend für die Schönheit zu stehen, für das Leben, für Frauentum und Verlockung und im Werk eines Künstlers zur Wiederkehr des Göttlichen zu werden? Schönheit des Körpers und Schönheit det Antlitzes? Anmut? Geist? Diesem Geheimnis spürt Fritz Würthle in seinen zwölf Studien nach.

Da ist Phryne, die Kapernpflückerin, die Praxitelei zur knidischen Aphrodite Modell stand und dem Altertum als echte Verlebendigung der Göttin galt; da sind die hohen Frauen, Agnes Sorel, die „süße Kreatur“ Karls VII. von Frankreich, die Fouquet als Madonna gemalt hat, Giu-liano de Medial Geliebte, Simonetta Ve-spucci, die von den Bildern Botticellis in anmutiger Schwermut blickt, und Diane

vollkommene Schönheit sogar das Recht zu zwingen gewußt.

Da sind aber auch die Bürgerlichen, Holbeins eher derbe „Lais“ aus Basel. Dorothea Offenburg, Helene Fourment, aus reichem Patrizierhaus, zweite Gattin Rubens, das „Modell der Modelle“, Hen-drickje Stoffels, Rembrandts „Bathseba“, Hausmagd und Gefährtin in der Verarmung, kreatürlich ungezwungen, frei von Prüderei und frei von Frivolität; Louison Morphil, die mit Casanova zusammentraf, Ludwig XV. gefiel und von Boucher gemalt wurde, ein lebenstolles Kind ihrer Zeit, wie es auch Pauline, Napoleons Schwester, war, die Canova in Marmor gehauen hat; beide haben sie die Lumpen ihrer Kindheit abgeschüttelt, sind dem Leben nachgejagt und haben ihrer Schönheit gelebt.

Und da lind Nanna, die römische Schustertfrau, die Feuerbachs Bildern ihre schwere Melancholie und Sinnlichkeit gibt. Lydia Escher-Welti, die vornehme Dame aus erster Zürcher Familie, an der Karl Stauffer verbrannte, und die „Sien“ van Gogh, das Straßenmädchen. Welten trennen diese Frauengestalten, und doch wurden sie alle Anlaß zu einem Schöpfungsakt. Göttliches haben die Künstler in ihnen gesehen, die Lockung des Lebens, die Anmut, die Würde, die Treue, den Traum und das Kreatürliche.

Fritz Würthle sucht die innere Wirklichkeit ihrer Persönlichkeit darzustellen; die Poesie, die in der Tatsache ihrer Erwählung liegt, bleibt aber dabei immer auf dem Boden des Sachlichen, auch kunsthistorisch Fundierbaren, ohne deshalb nüchtern und trocken zu werden. Zeit und Umgebung werden plastisch herausgearbeitet.. Briefe und Dokumente herangezogen, um ein reich facettiertes Bild zu geben; der Verfasser hat es sich nicht leicht gemacht. Humor und Ironie, im Falle der Morphie sogar als literarische Form, wie auch echtes Einfühlungsvermögen machen diese Porträtskizzen zu einer anregenden Lektüre.

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