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Digital In Arbeit

IM STREIFLICHT

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P IN Witzwort wird aus der Ravag kolportiert:

Bei der Neuordnung des österreichischen Rundfunkwesens wird jeder Posten dreifach besetzt. Einmal mit einem Parteimann von links, einmal mit einem Parteimann von rechts, und zuletzt mit einem Fachmann, der die Arbeit leisten sollte, wenn ihn die beiden anderen nicht daran hinderten ... Ein böses Wort, in der Tat. Doch birgt es, wie so mancher Witz, einen wahren Kern. Was man bis jetzt von der Postenvergebung gehört hat, war nicht immer erfreulich. Sollte es wirklich so kommen, daß der österreichische Rundfunk, auf den wir schon seit Jahren gewartet haben, seine Bezeichnung nur deshalb trägt, weil die Stellen bei ihm nach „österreichischem System", d. h. nach dem Proporz vergeben werden? Wie wäre es, wenn man für jeden Parteimann von links, der nicht angestellt wird, auch einen.von rechts wegläßt und die Arbeit den Fachleuten überläßt? Wäre dies nicht weit eher ein österreichischer Vorschlag?

ER 80. Geburtstag Karl Kraus’ ließ daran denken, wie sehr uns heute ein Mensch fehlt, der der Entwertung des Wortes durch seine Glossen und sein bloßes Dasein entgegenwirkt. So muß man es hinnehnien, daß der Be- richt über eine neue färben- und gegenstandsfrohe Ausstellung in dem Maler einen „Hexenmeister des Hintergründigen" zu entdecken glaubt, der „das gespenstig Hintergründige" male, und dann in dem Satz gipfelt: „Man darf von Effekten des metaphysischen Durchwirktseins sprechen." Nein, das darf man eben nicht. Nicht nur, weil es im konkreten Falle falsch wäre, sondern weil das überhaupt ein Unsinn ist. Das führt dann so weit, daß von einem anderen Referenten, einen Absatz tiefer — selbst die harmloseste Chargenrolle eines Tischlers „hintergründig" genannt wird und daß — wieder im Kunstteil — das „Hintereinander ... manchmal sozusagen ineinander splittert". Es ist nicht schwer, dieser Ausdrucksweise dahinterzukommen. Für sie, die alles „sozusagen metaphysisch schön" und „hintergründig gut" findet, sind die bedeutungsschwersten Worte unserer Sprache nur noch simple Hilfsmittel, eine Steigerungsstufe auszudrücken. Wer wagt es wieder, von einem Bild von Fischen und Muscheln ganz schlicht zu sagen, daß es „sehr schön" ist?

T’ AS Theater am Parkring hat eine neue künst- lerische Leitung bekommen. Jetzt, da Erich Neuberg die Direktion eines anderen kleinen Theaters übernimmt, kann man es ruhig sagen: man wird ihn vermissen. Verdanken wir doch ihm die Aufführung von Stücken. wie „Gottes Utopia", „Das Abgründige in Herrn Gerstenberg" und zuletzt noch „Warten auf Godot". Doch hat es den Anschein, als ob das Theater am Parkring seine junge, aber sympathische Tradition mit modernen Stücken fortsetzen wird. Sieht man Neuberg nur ungern scheiden, so wäre anderswo der Direktionswechsel schon lange nötig gewesen. Wir meinen damit das kleine Theater „Die Tribüne", das offenbar beweisen will, daß die junge österreichische Literatur unaufführbar ist. Hier wird, so hat es den Anschein, mit Absicht vorbeiexperimentiert. Von den Stücken junger Autoren, die im Herbst groß angekündigt wurden, wurde gerade eines aufgeführt; die anderen fielen stillschweigend unter den Tisch und wurden durch Fünftklassiges ersetzt. Kein Wunder, daß kein „Arrivierter" hier gespielt werden möchte; noch dazu, wo man hört, daß die Leitung versprochene Autorenhonorare schuldig bleiben soll, obwohl es vom Unterrichtsministerium eine monatliche Zuwendung von 15.000 S erhält ...

TXA spielt vor einigen Wochen das Musik- vereinsquartett im Zyklus „Meisterwerke der Kammermusik" drei winzige, allerdings recht struppige Zweiminutenstücke von Strawinsky, die einem Teil des Publikums nicht gefallen haben, und im Theater an der Wien geben einige Abonnenten, durch die Claque unterstützt, ihrem Mißfallen während der Aufführung von Einems „Prozeß" Ausdruck. Das ist ihr gutes Recht und ganz in der Ordnung. Aber — kleine Ursachen — große Wirkung! Was liest man in einer Wiener Morgenzeitung darüber? Strawinskys Stückchen seien „fratzenhafte Gebilde aus dem Hexenkessel des Umsturzes von 1914 bis 1918" immerhin eine merkwürdige Ausdrucksweise für ein Blatt, das sich .im Untertitel zur „demokratischen Einigung" bekennt, zumal man vom Autor weiß, daß er nicht auf jener Seite stand, deren Terminologie er sich nun bedient. Aber man knüpft noch größere Hoffnungen an diese unbedeutenden Zwischenfälle: „Stehen wir am Beginn einer Selbstbesinnung? ...Vielleicht ist es zu früh, von einer Gegenoffensive zu sprechen, aber Wien scheint gewillt, seine Stellung als Bollwerk schon wieder so ein Terminus! der Musik gegen die Kräfte der Zerstörung und Atomisierung zu behaupten." Uns scheint, es ist nicht zu früh, sondern zu spät, darauf zu hoffen. Die natürliche Entwicklung der Kunst kann niemand aufhalten, vor allem jene nicht, deren Uhren längst nicht mehr richtig gehen.

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