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Schwarze Haut

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Der Autor läßt in diesem Buch eine junge Farbige, Luciüe Morris, ihre Schicksale und die ihrer Familie erzählen. Es ist eine sehr traurige Geschichte, voll von erschreckenden Geschehnissen und der düsteren Schwermut der Gezeichneten, aber auch erfüllt von einer ganz unmittelbaren Poesie und einer uns verlorengegangenen Geduld des Erleidens, die man nicht so schnell vergißt.

Die Morris leben in New Orleans, jener Welt der amerikanischen Südstaaten, in der die schwarze Farbe Makel und Verhängnis bedeutet und beinahe zwangsläufig zum Scheitern verdammt, wenn einer die ihm gesetzten engen Grenzen zu durchbrechen versucht. Bei den Kindern der Morris kommt noch hinzu, daß ihre sehr helle Farbe — in der Familie des Vaters ist weißes Blut — sie nicht nur den weißen, sondern auch der eigenen Rasse verdächtig macht. Die Mutter ahnt dunkel die Gefahren, die ihren Kindern drohen, und schließt sie aus Angst und Liebe von der Außenwelt ab, um ihnen Verletzungen zu ersparen. So gehen sie nach dem frühen Tod des Vaters („er hatte seinen Platz im Leben nie finden können“) schutzlos, preisgegeben und unsicher in die Welt. Clarence, der Älteste, ein verführerisch schöner Bursche, gerät in die Kreise homosexueller Weißer und fällt schließlich im Kriege für die Mutter, die mit ihm gebrochen hatte, hinfort „einer weniger, um den sie Angst haben mußte, einer mehr, den sie in Gottes Hände geben-konnte“. Dan, der Jüngste; ist der Hilfloseste von allen, er kommt nie los von seiner Mütter Rockzipfel.

..Und so blieb Mama immer bei ihm, wetm er auch aus dem Hause ging. Wohin er sich auch begab, welche neue Tür sich auch für ihn öffnete, immer hielt ihn Mamas schwarze Hand fest. Und Mama glaubte, sie tue recht daran. Das ist das Schreckliche. Mama glaubte, sie mache es richtig.“

Das Ende für Dan ist schließlich der Irrsinn; er kann eine unglückliche Liebe nicht verwinden und bewältigen.

Nur Lucille geht ihren bitteren Weg bis zu Ende, gezaust, geschunden, von ihren Fehlschlägen und Enttäuschungen aber ungebrochen. Sie trägt das Bild des wahren, des richtigen Lebens als etwas Unveräußerliches in sich, und sie geht immer von neuem an seine Verwirklichung, unendlich tapfer und geduldig.

„Ich muß jetzt für drei von uns leben .. . Und noch mehr .. ich muß gutmachen, was Mama getan hat und was unser Vater nicht getan hat...Ich muß zeigen, daß ihr Leben nicht ganz sinnlos war.“

Das Buch ist brillant geschrieben und, bei aller Differenziertheit der Geschehnisse, doch von einer großartigen Einfachheit. Es zeigt eine unhaltbare Situation — die Familientragödie wird ja von den allgemeinen Umständen in den Südstaaten ausgelöst —,aber es schürt nicht den Rassenhaß, sondern ruft in seiner stillen Klage beide Seiten zur Besinnung und Verantwortung auf. Und es zeigt schließlich an Lucille, wieviel Freiheit der Entscheidung und des Handelns einem Menschen selbst in einer weitgehend festgelegten und begrenzten Situation bleibt, wenn er den Haß und die Angst überwindet und der Liebe Spielraum gibt in seinem Leben.

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