Japan - © Foto: iStock/Toshy091 (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)

Literatur aus Japan: Ōe Kenzaburō, Inoue Yasushi, Masuji Ibuse und Wakatake Chisako

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Schriftsteller wie Ōe Kenzaburō, Inoue Yasushi, Masuji Ibuse oder Wakatake Chisako zeigen im Westen wenig bekannte Facetten der japanischen Gesellschaft fernab aller Klischees auf.

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Schriftsteller wie Ōe Kenzaburō, Inoue Yasushi, Masuji Ibuse oder Wakatake Chisako zeigen im Westen wenig bekannte Facetten der japanischen Gesellschaft fernab aller Klischees auf.

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Die Austragung der Olympischen Sommerspiele 2021 in Tōkyō rückt Japan in das Zentrum der globalen medialen Öffentlichkeit. Die Regierung hat enorme finanzielle Mühen aufgebracht, um das Image Japans aufzuwerten. Eine umfassende Werbeoffensive sollte in der japanischen Öffentlichkeit eine positive Stimmung hervorrufen und dem weit verbreiteten Harmoniebedürfnis der Mehrheitsbevölkerung entsprechen.

„Japan ist eine Nation, die Ordnung und Sauberkeit bevorzugt“, schreibt die Schriftstellerin Yu Miri in ihrem Buch „Tōkyō Ueno Station“. Gegen dieses normative Gesellschaftsmodell opponieren Schriftsteller wie Ōe Kenzaburō, Inoue Yasushi, Masuji Ibuse oder Wakatake Chisako, die im Westen wenig bekannte Facetten der japanischen Gesellschaft aufzeigen, die nichts mit Haikus, Zenbuddhismus, Teezeremonien oder kalligrafischen Meisterwerken zu tun haben. In ihren Werken spielen Außenseiter wie geistig Beeinträchtigte und an Amnesie Erkrankte eine wesentliche Rolle; geschildert wird auch das wenig spektakuläre Alltagsleben von Menschen, in dem metaphysische Vorstellungen vom Absoluten keinen Stellenwert aufweisen.

Nachdenken über ein gutes Leben

Die Schriftstellerin Wakatake Chisako hat in dem Buch „Jeder geht für sich allein“, das sie im Alter von 63 Jahren veröffentlichte, den Lebensbericht der 74-jährigen Protagonistin Momoko vorgelegt, in dem sie berichtet, wie sie als junge Frau von der Provinz nach Tōkyō zog – in der Hoffnung, die Enge der Provinz hinter sich zu lassen. In der Großstadt geriet sie jedoch in die Mühlen der üblichen gesellschaftlichen Konventionen – harte Arbeit, eheliche Pflichten, die Erziehung der Kinder. Nach dem Tod ihres Mannes hat Momoko genügend Muße, um über den Verlauf ihres bisherigen Lebens nachzudenken, den Träumen, die sie einst hatte, nachzuhängen, über die Liebe zu ihrer Familie zu reflektieren und sich mit ihrer gegenwärtigen Einsamkeit zu konfrontieren.

Das Außergewöhnliche des Werks besteht darin, dass die Erinnerungen an verschiedene Personen in deren jeweiligem Sprachduktus erfolgen, der häufig im Provinzdialekt von Momokos Heimatdorf abgefasst ist. In der deutschen Übersetzung hat Jürgen Stalph den erzgebirgisch-vogtländischen Dialekt gewählt, „um den Witz wie die Bitterkeit dieses zutiefst menschlichen Buches“ beizubehalten. So antwortet die Stimme der Großmutter in Momokos Kopf auf die Frage nach ihrem Befinden: „S iss, wie’s iss. Nedd besunners gud, abber aa nedd besunners schlachd.“ Die Stimmen, die vergangene Ereignisse und Erinnerungen an verschiedene Personen evozieren, münden in eine Engführung, in der eine einzige Stimme die Frage stellt: „Hoo iech’s werrglich gud gelebbd?“

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