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Lustspielereien

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Das Äkademietheater bringt einen österreichischen Lustspielabend: „Ringel spiel von Hermann Bahr und „O 11 a- p o t r i d a" von Alexander Lernet- Holenia. Sehenswert wird dieser Abend durch die Kunst Alma Seidlers Ihr glaubt man das Spiel, jene schwebende Atmosphäre einer Wiener Gesellschaft fünf Minuten vor Zwölf (1914). Was dieses Ringelspiel, heute besehen, sonst darstellt, ist sträflicher Leichtsinn. Judith Holzmeister und Alexander Trojan sind um undankbare Rollen sehr bemüht, der Gegenspieler, Herr Holt, wirkt flach und schwerfällig, ohne Strahlung. — „Ollapotrida“ ist ein Faschingsulk, passend für Mitternachtseinlagen; herzhaft heruntergespielt, hat er das Publikum als Lädier auf seiner Seite.

Die Josef stadt stellt in den Kammerspielen zwei Einakter des Engländers Noel Coward auf die Bühne. „Begegnung“ ist die zauberhaft verhalten erzählte Geschichte von zwei reifen Menschen, die sich kurz finden, um sich für immer zu verlieren. Eine Banalität, wenn zerspielt, eine hohe Leistung hier: Grete Zimmer und Robert Lindner, Immer wieder staunt man über das kluge, reiche Können dieser Künstlerin, und freut sich über Lindners Delikatesse. — Das zweite Stück dieses Abends, „Mittel und Wege", ist eine unerquickliche Farce, wahrscheinlich nur erträglich dort, wo sie spielen soll: in einer Rivieragesellschaft reicher Niditstuer und Tagdiebe. Gezeigt wird, wie ein junges Ehepaar, nachdem es sich jahrelang bei reichen Freunden durchgebracht hat, endlich wieder einmal alles verspielt hat, und nun, bankrott, „gerettet" wird durch einen Einbrecher, der mit ihm seine Beute teilt. Dies und manches andere wäre erträglich, wenn es sich hier um eine echte Gesellschaftssatire oder eine echte Komödie handeln würde. Nichts jedoch dergleichen; Coward, erfolgsgewöhnt erfolgsverwöhnt, kann es sich „drüben" leisten, nichts zu bieten, und weniger als nichts. Ob auch auf unseren Bühnen, ist die Frage.

Ein guter alter G o 1 d o n i, im Volkstheater: „Mirandolina", übertragen von Lola Lorme. Er hat hier einiges von seinem Schmelz verloren, wirkt aber heiter; freundl’ch warm, ohne das Brio seiner Herkunft, wie ein deutsches Lustspiel. ,

Eine bedeutende Premiere im Volkstheater: „Leb wohl, mein Traum“, eine Komödie von Fay Kanin, übertragen und in der Regie von Joseph Glücksmann. Heiße, brennende Gegenwart auf der Bühne! — Gegen alle möglichen Mißdeutungen: wir bejahen diese Form der Aussage! — Das Stück 6pielt mitten im Wahlkampf um die amerikanische Präsidentschaft, in einem vornehmen konservativen College in den USA und stellt in einer erregenden Weise zur Diskussion: die Mitverantwortung jedes einzelnen für das Weltgeschehen, die Verantwortung des Erziehers im besonderen für die Bildung der ihm anvertrauten Menschen zu Mitverantwortlichen. — Weriweiß, was an unseren Schulen und unseren Lehrern in Jahrzehnten gesündigt wurde, wer die fehlende „Zivilcourage", den mangelnden politischen Humanismus im mitteleuropäischen Raum keimt, wird diesem Stück folgen, gerade wenn er zu vielen Einzelfragen kritisch Stellung nehmen wird. — Der Präsident des Colleges, ehedem ein idealistischer zeitaufgeschlossener Geschichtsprofessor, hat als Konformist im Dienste seiner hochkonservativen Geldgeber „sein“ College zu einer Trauminsel für Töchter der Gesellschaft verwandelt: von denen alles ferngehalten wird, was an das „harte Leben“, an heißen und kalten Krieg, an die Existenzfragen der Nation und der Welt gemahnen möchte. Da bricht eine junge Frau herein, eine 6chon berühmte Ab-

geordnete und Journalistin, und zerstört sein Traumreich, an das er selbst nicht glaubt. — Ein Happy-End schließt das Stück und soll es wohl vor dem Verdacht behüten, ein kryptokommuni6tisches Propagandastück zu sein. (Es fallen manche scharfe Worte wider die Partei, die eben den letzten Feldzug mit Eisenhower gewonnen hat.) Dennoch läßt es keinen Zweifel offen: der Kampf geht weiter, in und um alle Menschen, die sich nicht durch Scheuklappen, Schlagworte, niederste Egoismen und höchste Ängste um ihr erstes Menschenrecht bringen: Stellung zu beziehen, nach links und rechts, oben und unten, in dem vielfältigen Ringen, das heute um cjie Erziehung der Menschheit geht. — Gut wird gespielt; in der Hauptrolle: Eva Zilcher; großartig: Dorothea Neff; erfreulich auch die Herren, mit Franck an der Spitze. Ein Wagnis, dem Glück zu wünschen ist!

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