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Oskar Werner: „Wahrhaft königlich bewährt!“

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Im Jahr 1961 spielt Oskar Werner in Shakespears "Heinrich V." im Burgtheater die Hauptrolle. Sein Spiel ist das eines großen Mimes, schreibt Friedrich Heer.

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Im Jahr 1961 spielt Oskar Werner in Shakespears "Heinrich V." im Burgtheater die Hauptrolle. Sein Spiel ist das eines großen Mimes, schreibt Friedrich Heer.

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Der Shakespeare-Zyklus des Burgtheaters, in der Ära Haeusserman, wird in die Theatergeschichte eingehen. Der Regisseur Leopold Lindtberg und der Bühnenbildner Theo Otto bilden das Zweigespann, das den alten, oft verfahrenen Thespiskarren in Gefilde zieht, die Leuchtspuren hinterlassen. Lindtbergs Regie ist auf Ottos Bildvisionen ebenso angewiesen wie auf die Lichtkraft einiger Schauspieler. Oskar Werner erreicht in „Heinrich V.“ ein Maß an Strahlung, das nur die größten Mimen erreichen. Shakespeare hat diesen seinen epischen Sang vom Aufstieg des jungen Königs Heinrich aus Gosse und Gesindel zum Lichtbringer, zum Heilskönig, zum Helden des Glücks, dem alle Winde, alle Wetter gut sind, und dem die Mörder und Hasser nicht schaden können, seinen englischen Zeitgenossen als Erbauung und Warnung vorgespielt: furchtbare Erinnerung an schwache und elende, schandbare und geschändete Könige erfüllte mit den Schwaden kaum verzogener Gewitter die Bühne der englischen Geschichte, und niemand wußte noch, ob das gefährliche Spiel der Elizabeth um den Weg in diie Zukunft, in die Freiheit, über See, gelingen würde. Hier sahen und sehen nun die Zuschauer, auf Shakespeares Bühne, wie hohes Spiel herrlich gelingt. Der junge Heinrich gewinnt sich in Frankreich, auf dem Schlachtfeld, die Liebe seines eigenen Volkes, seiner Völker, und dazu die schöne Braut, Katharina, die Tochter des Königs von Frankreich.

Dieser Lichtkönig wird von Oskar Werner sieghaft, männlich, klug, reif gestaltet, wobei diese Gestalt von einer Menschlichkeit umwoben ist, die königlich und nah, wissend um das Dunkle und Trübe, das Schwache und Kranke ist. Der Demokrat Lindtberg (noch ist solche Bezeichnung kein Schimpfwort hierzulande) wendet seine große Liebe den „kleinen Leuten", den Narren und Schalksnarren aus dem Volke, zu, denen Shakespeare, selbst ambivalent, mit einer Art Haßliebe zugeneigt ist. Hier nun erstrahlen sie in wundersamem Glanze: Josef Meinrad ist ein unvergeßlicher Fluellen: vergessen wir nicht ganz, daß hinter seinem Streit mit Pistol (Robert Lindner) die ganze Tragik des Völkerkampfes auf den britischen Inseln zwischen Wallisern, Engländern, Schotten steht. Prächtig die anderen „Herren“ aus dem Volke: Hermann Thimig als Nym, Hugo Gottschlich als Bardolph, Peter Broglė als Troßbursch. Die schönsten Szenen aus der hohen, höfischen Welt: Annemarie Düringer als Katharina, im englischen Sprachunterricht mit Eva Zilcher als Alice, und im Brautgespräch mit König Heinrich. Der „Herbst des Mittelalters“, die preziöse, überkultivierte verzärtelte Feierwelt, wie sie Huizinga uns vorgestellt hat, ist hier in allen Farben präsent. Farblos fast, und verlegen, ungewohnt: Wolf Albach-Retty als König von Frankreich. Burgtheatersicher im guten Sinne des Begriffes erscheinen Albin Skoda als Chorus, Heinz Woester als Exeter, Alexander Trojan als Dauphin. Ein großer Abend der Burg; ein dankbares, ergriffenes Publikum, das hier zur Feiergemeinde wird.

Kurz vor Torschluß des Faschings ist in den Kammerspielen ein „Faschingsscherz in acht Bildern“ eingezogen, „Tohuwabowhu“ von Hans Adler und Alexander Lernet-Holenia. Zwei Herren, zwei Damen, Gatte und Hausfreund, Gattin und Freundin, die sich bei einem achtmaligen Ausziehen und Umziehen, vom Salon in die Küche, inkommodieren, sekkieren, enttäuschen, täuschen und bezaubern. Elfriede Ott und Waltraud Haas sind die sehr anziehenden Dameni Herr Borsody ist ein gepflegter Hausfreund, die Meisterleistung des Abends wird jedoch von Otto Schenk vollbracht. Dieser ausgezeichnete Schauspieler ist gegenwärtig einer unserer besten Komödianten; man möchte ihn gerne wieder einmal , in einer großen klassischen Rolle, bei Raimund und Nestroy, einkehren sehen. Beste Unterhaltung.

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