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Mosaik literarischer Existenz

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24 ERZAHLER DER WELT. Herausgegeben Ton Martin Gregor-Dellln. Nymphen-burger Verlagshandlung, München. 360 Seiten. Preis 10.80 DM. — EXKURSIONEN. ERZÄHLUNGEN UNSERER ZEIT. Herausgegeben von Leonore G e r m a n n. Carl-Hanser-Verlag, München. 326 Seiten. Preis 16.80 DM. — RECHENSCHAFT — UND ANDERE ERZÄHLUNGEN. Von Tibor D e r y. S.-Fischer -Verlag. Frankfurt a. M. 202 Seiten. Preis 7.80 DM.

Die Verhältnisse, unter denen eine Gesellschaft lebt, wirken selbstverständlich auch auf die Literatur. Nicht nur auf ihre Qualität und Thematik, sondern auch auf den Auf- und Abstieg der Gattungen. Die Krise des Romans ist ein Signum. Die Blüte der Erzählung, in den verschiedensten Abstufungen literarischen Anspruchs, ein anderes. Die praktischen Lebensumstände drängen auf die kurze Form. Hier liegt die große Chance der Lyrik ebenso wie die der Story. Da die Breite kein künstlerisches Kriterium ist, kann man die Bereitschaft der Schriftsteller, sich anzupassen, grundsätzlich begrüßen.

Zu den praktischen Vorteilen gehört neben der Publikationsmöglichkeit in den Massenmedien bei der Erzählung auch die Zugänglichkeit einer Auswahl von Stücken und Autoren in einem einzigen Buch. Die Verlage lassen kurze Prosa in zunehmendem Maße erscheinen und bestätigen damit den eingangs angedeuteten Trend.

Die beiden Erzählungssammlungen, die neu angeboten werden, haben vieles gemeinsam: so die Absicht, einen Querschnitt durch die gegenwärtige Welt und Zeit zu geben und verschiedene Stile und Absichten vorzuführen. Sie haben natürlich auch den größten, aber unvermeidlichen Fehler solcher Unternehmen gemeinsam: nämlich die subjektive Auswahl. Ein wesentlicher Unterschied fällt erst bei der Lektüre des Anhangs auf. Die Nymphenburger Verlagahandlung hat es sich ein wenig leichter gemacht, indem sie vorwiegend aus bereits Veröffentlichtem wählte und dabei die Autoren des eigenen Hauses bevorzugte. In dem Band des Carl-Hanser-Verlages ist

der deutsche Sprachraum mit Reinhard Lettau und dem Exil-Österreicher Erich Fried vertreten. Aus der Problematik einer solchen Wahl kann man, indem man die bekannten Maßstäbe auf unbekannte Bereiche überträgt, Schlüsse ziehen.

Über das Schicksal einer Erzählung entscheidet nicht allein das literarische Urteil. Viele von den gebotenen Stücken haben Unterhaltungswert. Wie fließend die Grenze zum Trivialen ist, kann man nicht zuletzt an manchen Beispielen dieser Bücher studieren. Der soziale, der politische — leider kaum der religiöse — Aspekt spielt in diese Erzählungen hinein. Als Fundgrube sind solche Werke hochwillkommen. Die Weltfamilie lernt sich in ihren Erzählern kennen.

Tibor Derys neuere Kurzprosa wirkt daneben fast archaisch. Das Engagement des Dichters gibt den

zehn Erzählungen eine gemeinsame Linie. Die Sprache liebt das Detail. Die Handlungen laufen von innen her ab. Die ganz Modernen lächeln wahrscheinlich darüber; aber es bleibt bestehen, daß diese Erzählungen eine außer- oder überliterarische Qualität haben: sie spenden Trost. Die Absicht sei dahingestellt. Die Wirkung entscheidet.

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