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Österreich, wie es ist...

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Oesterreich: Land im Aufstieg. Europa-Verlag, Wien, Forum-Verlag, Wien. 317 Seiten. Preis 198 S.

Dieses Buch ist ein Gemeinschaftswerk. Nicht nur zwei Verlage haben sich aus Anlaß des zehnten Geburtstages des neuen Oesterreich zu seiner Herausgabe zusammengetan; auch nicht an die 60 Autoren und 72 Photographen als Mitarbeiter sei in erster Linie gedacht: Es sind harte und doch gute zehn Jahre zu je 365 Tagen, denen das vorliegende große Dokumentationswerk sein Erscheinen vor allem verdankt. Erinnerungen stiegen auf. Erlittenes und Erlebtes wurde zu Papier gebracht, Bilder bezeugen das Wort. Weißt du noch . ..? Erinnerst du dich .?

Es ist gut, in einer raschlebigen Zeit den Weg dieser zehn Jahre noch einmal zu gehen. Ist es doch ein steiler Weg aufwärts. Das vorliegende Buch selbst ist in seiner Ausgestaltung selbst schon eine große österreichische Leistung. Wer die wegen ihres minderwertigen Materials heute schon vergilbten ersten Druck-Erzeugnisse des Jahres 1945 neben dieses Werk legt, kann allein schon daraus ermessen, welcher Weg dazwischen liegt. (Freilich, daß auch heute nicht immer und überall guter Geschmack und der Mut zu einer modernen graphischen Ausgestaltung vorhanden ist, steht auf einem anderen Blatt.) An beidem hat es der Redaktion dieses Buches, die unter Leitung von Robert Stern steht — er ist einer von jenen, die vor zehn Jahren in der studentischen Presse als journalistische,,Autodidakten“ begannen —, nicht gefehlt Sehr gut gelungen erscheinen vor allem die übersichtlichen Zeittafeln und unter diesen besonders das unkonventionelle „Regierungspanorama“ (Seite 26 bis 27). Wie es bei einem solchen Sammelwerk nicht anders erwartet werden kann, sind die Texte von unterschiedlicher Qualität. Der wiederholt ausgestoßene Fanfarenruf „Freiheit für Oesterreich“ ist durch die Ereignisse der letzten Monate überholt worden. Aus der Liste der Mitarbeiter spürt man deutlich das Bemühen der Redaktion, unbeschadet des eigenen politischen Standortes ein nach allen Seiten offenes, repräsentatives Werk zu gestalten. Auf weiten Partien ist diesem Bemühen auch Erfolg beschieden. Leider kein uneingeschränkter. Das politisch so bedeutsame und nach Objektivität verlangende Kapitel „Die stabilste Regierung Europas“ (Seite 22 bis 29) läßt in seiner Darstellung von zehn Jahren österreichischer Innenpolitik deutlich durchschimmern, daß sein Verfasser mit seinen Sympathien auf der Seite der zweiten Regierungspartei steht. Hier müßte bei einer zweiten Auflage, die wir dem großen als „moderne österreichische Hauspostille“ ebenso wie als Erinnerungsgeschenk an ausländische Freunde geeigneten Werk schon heute wünschen, die Feile der Redaktion einsetzen. Dr. Kurt S k a 1 n i k

Kennwort Opernball 13. Die letzten zwölf Stunden des Obersten Redl. Roman von Carl H a e n s e 1. Carl-Schünemann-Verlag, Bremen. 318 Seiten.

„Der Kommandeur des vierten Deutschmeisterregiments“, der durch den „Haarhof, der auf den Graben mündete“, ins „Cafe Lebmann auf dem Neumarkt“ ging, nahm eine „Droschke“, sagte „dalli, dalli“ und gab in einer „Comestibleshandlung“ eine „goldene Doppelkrone“ aus. Vor dem „k. u. k. Innenministerium“ traf „Seine Exzellenz, der Generalmajor“ den „Major-Aditeur“. Dieser sagte: „Halten zu Gnaden, Herr General. Unser Generalissimus Conrad will Generalfeldmarschall werden. Vielleicht mobilisiert Lemberg nun doch.“ „Nanu, las sagst du doch nur, damit du mich Haxen kannst, wenn es schiefgeht...“ Die hier willkürlich zusammengestellten Zitate unter Anführungszeichen bilden eine ganz kleine Auslese dessen, was uns der Autor als wienerische Atmosphäre vorsetzt. Kaiser Franz Joseph ist „ein durch das Zeremoniell vergottetes Standbild aus Kalk“, er „hat es in diesen sechzig Jahren mit den unfähigsten Ministern nicht fertiggebracht, Oesterreich zugrunde zu richten“. Bei den Offizieren „schaute das Taschentuch aus der Manschette hervor; der Kaiser liebte es so“. Nicht genug an dem — der Leser beobachtet in fassungslosem Staunen, wie überzeugend es dem Autor gelungen ist, seine absolute Unfähigkeit als Romancier unter Beweis zu stellen. Die Hauptfigur, Oberst Redl, tritt schattenhaft verschwommen hinter den unzähligen überflüssigen Nebenfiguren völlig zurück. Jede Spur der durch die Ereignisse gegebenen Spannung wird in geradezu einmaliger Weise zertreten und zerredet. Der Kritiker möchte beinahe ausrufen: Das muß man gelesen haben, soviel Nichtkönnen hat man noch nie gesehen.'... Leider ist dem Autor eine Geschichte Wiens unter die Hände gekommen, und er erschlägt nun mit seinem Pseudowissen jede Situation. Wallenstein, Prinz Eugen, Kronprinz Rudolf und Hofrichter (der dreizehn Menschen ermordet hat!) werden ebenso zu Tode geredet wie der Kaffeehausmarkör' und der Wasserer. Es bleibt unbegreiflich, daß ein Verlas, der auf eine hunderfünfzigjährige sehr ehrenvolle Vergangenheit zurückblicken kann, einer vermeintlichen Konjunktur zuliebe diesem Machwerk aufgesessen ist.

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