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Programmierer und Träumer

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PARADIESE DER ZUKUNFT. Die Menschheitsträume Tom besseren Leben. Von Frsni B a u m e r. München, Langen-Mttller-Verlar, 1967. 314 Selten, 43 Abbildanten, Leinen. sFr. 26.50.

Wir leben im Zeitalter der Planer und Programmierer. Da ist es ganz recht, wenn ein Autor die Weltverbesserungspläne schildert, von Plato bis zu heutigen Eugenikern und Kybernetikern. So weit, so gut. Auch ist es schön von ihm, wenn er schließlich erklärt, es gehe um den Mut, zu unmenschlichen Plänen nein zu sagen. Und doch ist sein eigenes Buch ein Beleg dafür, wie schwer die Abwehr solchen Unterfangens ist, und warum der heutige Mensch da wehrlos scheint; wehrlos in der Tat, doch auch im Geiste.

Unser Autor steht, scheint's, links. Sonst könnte er nicht (S. 149) die NSDAP mit der Behauptung verurteilen, sie wäre gar keine Revolution gewesen: „sie war bis in die letzte Faser ihrer Wurzeln reaktionär". Ein Legitimist würde umgekehrt feststellen, die NSDAP habe sich fälschlich für reaktionär ausgegeben, in Rominten und Karinhall und Potsdam; sie war bis in die letzte Regung ihres Wesens revolutionär. Doch vielleicht liegt eine gewisse Einseitigkeit auch im Thema. Der Autor hat nur jene Zukunftsträume besprechen wollen, die absichtsvolle, rationelle, künstliche Neuordnungen der Gesellschaft darstellen. Die mythologischen End-

zeitträume werden nicht besprochen. So fehlt denn hier der uralte Traum (Jung würde sagen: der Archetyp) der Restauration. Seit unvordenklichen Zeiten haben Menschen,

haben Völker geträumt von der Wiederkehr der guten alten Zeit, vom Anbruch der schönen neuen Zeit an dem Tag, da der rechte Herrscher wiederkommt: da der Imam der Zeit erscheint, der Grand Monarque regiert, der letzte Kaiser zum dürren Baum kommt. Davon ist hier nicht die Rede — der Autor behandelt nicht die kollektiven Träume der Völker, sondern die Programme der Literaten, der Reformer. Baumer fehlt also die Vorstellung von der Restauration — er kennt nur den Fortschritt. Der mag scheußlich sein, gewiß. „Doch jeder Schritt zurück ist hier unmöglich." Warum denn? „Es wäre der Versuch, das Rad der Geschichte rückwärts zu drehen" (S. 171). Ja, und? Hier sieht man, was das Register bestätigt: Baumer hat Chesterton nicht gelesen. Er

wüßte sonst, wie Chesterton auf dieses Argument geantwortet hat. Möge er diese Lektüre schleunigst nachholen und den „Immerwährenden Menschen" lesen und „Eugenik und andere Übel" — da werden ganz genau die hier besprochenen Probleme vom Standpunkt katholischer Tradition aus beantwortet.

Eins ist doch klar. Wenn es wahr ist, daß die Menschen einer fast unwiderstehlichen Entwicklung

widerstehen müssen, um Menschen zu bleiben, dann brauchen sie eine Gesinnung unnachgiebiger Rechtmäßigkeit, eine Gesinnung unerschrockener Treue zur Überlieferung. Die Karlisten vom Montejurra nützen uns da mehr als alle Humanisten des Erdkreises. Die werden das Ende nur beklagen.

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