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Protest gegen Tabus

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Einen gewissen Einfluß dagegen, von manchen Seiten nicht ohne Sorge festgestellt, begann die „Beat Generation“ auf wachsende Schichten von Schülern, Studenten und anderen jungen Menschen auszuüben. Die „Beat Generation“ ist eine Gruppe junger Schriftsteller und Künstler, deren Wortführer, heute selbst dem Jugendalter großenteils bereits entwachsen, sich in sich teilweise widersprechenden „Selbstaussagen“ sowohl als literarische Renaissance als auch als Träger einer neuen, personalistischen Religiosität betrachten. Sie lehnt die Tabus der mittelständlerischen Massengesellschaft ab und proklamiert das Recht auf freie« Leben, vor allem junger Menschen, als Weg zu wirklicher Selbsterfüllung.

Die „Beat“-Generation ist, seit nach dem ersten Weltkrieg die literarische Exilgruppe amerikanischer Schriftsteller am linken Seineufer den Begriff der „Lost Generation“,““der verlorenen Generation, erfand, ;wphj die einzige nichtkonformistische Rebelfengruppe) die in jungen Schichten der USA bis vor kurzem Resonanz fand. Ihre komplexe Erscheinung dürfte der deutlichste Ausdruck der geistigen Krise in der amerikanischen Jugendkultur unserer Tage sein.

Wahrscheinlich sind auch diese — isoliert betrachtet — als „typisch amerikanisch“ empfundenen Fragen, die der Umwelt Anlaß zum Aufhorchen gaben, letzten Endes übernational und Folgen der ständigen Wandlung, die unsere erschütterte Welt heute durchmacht. Es wäre falsch, wollte man unter dem Eindruck der von Experten aller Art in der Öffentlichkeit diskutierten Sonderprobleme übersehen, wie unberührt von all dem die

Inhalt und Formen jugendlichen Lebens und Erlebens. Wie in anderen Ländern gehen auch in den USA bestimmte Impulse von der Freizeit aus, von den Interessen, die man dort findet, und den Einflüssen, denen man in der freien Zeit ausgesetzt ist. —

Eine auf einen eigenen „Stand der Jugend“ hinzielende „Jugendbewegung“ hat es in Amerika nie gegeben. Zwar gibt es — wie inzwischen auch in Europa — „Fan-Clubs“ zu Ehren bestimmter Filmstars, wie James Dean oder Frank Sinatra, die Klubs der jazzfreunde und der Rock-'n'-Roll-Be-sessenen, die Elvis Presley zujubelten. — Das sind Gruppen, die sich impulsiv und ohne Einfluß Älterer aus Jugendlichen selbst bilden. Die offiziellen Jugendorganisationen dagegen haben zwar Millionen Mitglieder und werden ausnahmsweise von Erwachsenen geleitet, bereichern aber die allgemeine Erziehung in keiner Weise durch eigenständige Ideen oder Ausdrucksformen. Sie sind gewissermaßen Auslaufplätze für Jugendliche, die Schule, Elternhaus und Kirchen vorgelagert sind.

Mehrheit der im besten Sinne normalen jungen Amerikaner aufwächst.

Nur gelegentlich werden Elemente der Unruhe sichtbar. Aber sie sind vorhanden und haben begonnen, Konturen anzunehmen! Deshalb war hier von ihnen mehr die Rede als vom problemlosen glücklichen Durch-schnittsjugcndlichen. Insbesondere auch deswegen, weil sich im letzten Jahr — offensichtlich in gewissem Zusammenhang mit einer fühlbaren Aktivierung des öffentlichen Lebens durch Kennedys die Phantasie befruchtende Parole der „New Frontiers“ — vor allem an den Colleges eine deutliche Tendenz zeigt, das Gefühl des Unbehagens über den Status quo in positiver Anteilnahme an der gesellschaftlich-politischen Problematik fruchtbar ZU machen.

Der weitgehende Enthusiasmus in Studentenkreisen für die Idee des „Friedenskorps“ ist ebenso ein Symptom dafür, wie die wachsende Zahl von politisch aktiven Gruppen an den Hochschulen. Sowohl die „Jungkonservativen“ (Young Americans for Freedom) wie neue Gruppenbildungen von Jungsozialisten, Pazifisten, Atomgegnern usw., so verschieden die rationalisierten Endziele auch sind, sind Ausdruck der gleichen Unruhe in der „Revolt on the Campus“. Keine dieser Gruppen ändert im Augenblick wesentlich das hier in den Konturen gegebene Querschnittbild amerikanischer Jugend von heute, aber ihr InBewegung-Geraten mag eine gewisse Wende im Bewußtsein derer andeuten, die Initiative zu entwickeln fähig sind. Wie das endgültige Ergebnis solcher „Neuformierungen“ aussehen mag, vermag vorläufig kein Mensch vorauszusagen.

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