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Romane: Diesmal lesenswert

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DIE ZWEITE HEIMKEHR. Roman. Von Paul Horgan. Deutsch von Roswitha Plancherel- Walter. Walter-Verlag, Qlten. 253 Seiten.

„Braungebrannt, unwiderstehlich, dem Aeußeren nach ein Musterexemplar der neuen Menschenrasse, in intellektueller und, ja, auch in ethischer Hinsicht jedoch so gleichgültig und unbeschwert wie ein goldbraunes Löwenbaby“ — das ist der Held dieses Romans, ein Amerikaner aus reicher, guter Familie. Schule, Jugend, Heirat mit einem ebenso reichen Mädchen aus ebenso guter Familie; dann der Krieg im Westen Europas und im Fernen Osten. Aus dem Osten kommen keine menschlichen Probleme; aber während des Krieges in Frankreich begegnet Amerika dem alten Europa: der Held David begegnet dem Bauernmädchen Laure. Ein „jugendlicher Mann“ begegnet einem „alten Kind", wobei das Kind den Mann „an Erfahrung' und Weisheit bei weitem zu übertreffen schien“. Als David aus dem europäischen Krieg nach Hause kam, war etwas in ihm in Europa ' geblieben — symbolisiert in dem Mädchen Laure und dessen Kind. Auf Schleichwegen will David zurück; er meint, es ginge, indem man geographisch ’ nochmals zu irgendeinem Besuch zurückkehrt, um das zurückgelassene „Etwas“ zu suchen. Als gäbe es keine Geschichte: als geschähe inzwischen nur das eigene Leben und das einmal verlassene Leben des anderen sei stehengeblieben an jener Stelle, da man es verließ. Erst als David nach mißglücktem Besuch in dfem französischen Dorfe wieder nach Amerika zurückfliegt, bei der „zweiten Heimkehr", ist er endlich daheim. Der greise Abbe des französischen Dorfes (mit ihm ist das Problem „Amerika- Europa“ ins Menschliche und Religiöse gehoben; die Gespräche zwischen dem Abbe und David Sind ’ )i?ėfsteJfiCTl)M'fitf8nsl4¥’ (Sem!'“Mbimkehri4fictetf: '„(&eh Glauben." Män schließt dieses Buch mit dem Bedenken, ob wir nicht erst überhaupt einen Glauben, eine Ueberzeugung gewinnen müßten, denn das Bisherige war zwar „gesund“, aber es war „leer“. — Dieser Roman ist gut; er ist lesens- und liebenswert.

DER MANTEL. Erzählung. Von Franz Turnier. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt. 237 Seiten.

Ein Mann erzählt, wie er einen Mantel kauft, wie er ihn verliert, dann sucht und den gefundenen wegschenkt. Das ist alles. — Faszinierend ist daran, daß . dieser Mann seine Geschichte mit dem Mantel sich und den Freunden öfter erzählt, um sich zu beweisen, daß er gelernt hat, mit Menschen und Dingen umzugehen. Das ist, wenn man Turniers Roman liest, plötzlich nicht mehr selbstverständlich. Denn Wir nehmen allererst unsere Umwelt zum Anlaß, uns unsere Wirklichkeit zu beweisen: wir sind lange Jahre hindurch von uns selbst gefangen und auf Selbstbestätigung gerichtet. Es muß dann einmal etwas — wohl bei jedem Menschen ein verschiedenes „Etwas“ — mit uns geschehen, daß wir von uns wegkommen, ohne Angst um uns zu haben, und in echten Kontakt mit der Umwelt und ihrem Geschehen zu gelangen. So wie es Gnade im religiösen Bereich gibt, die neue Dimensionen öffnet, so gibt es auch solche Gnadenaugenblicke für das natürliche, für das mitmenschliche Leben, fijr das Mit- Leben im ganzen. Wie Turnier eine solche Gnade zu zeigen versteht, ist psychologisch und sprachlich eindringlich: man steht vor einem Spiegel.

DER ZWEITE HAHNENSCHREI. Sechs Erzählungen. Von Franz Theodor C s o k o r. Paul Žsolnay, Hamburg. 151 Seiten.

Immer wieder: wir sind Wesen, die sich entscheiden müssen Die Umstände helfen oder hindern. Manchmal ist es Gott, zu dem wir gefunden haben oder nie finden; manchmal ist es die Kunst oder der Krieg, die uns in Gewissensgefahr bringen; immer sind wir in tentatione, in Spannung, ausgespannt zwischen Mögliches, das durch unser Leben wirklich werden soll: durch unsere verantwortliche Entscheidung. Diese sechs Erzählungen zeigen solche Spannungen und sind gespannt geschrieben — so meisterlich, daß man dieses Buch in einem Zug verschlingt;' denn es geht den Leser an! Csbkor schildert den Menschen in seiner weltlichen Einsamkeit vom Menschen aus; wo Gott ist, ja, daß Gott ist, davon ist nur zu spüren, weil die beschriebenen Menschen Menschen und die begangene Erde die Erde ist — beides Geschaffenheiten, die einen Schöpfer voraussetzen.

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