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Romane und Erzählungen

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Der Roman „Der Mond ging unter" von John Steinbeck (Verlag Humboldt, Wien 1948), dessen Dramatisierung vor Jahren hier zu sehen war, behandelt den Freiheitskampf eines kleinen Landes, das von einer starken Militärmacht gewaltsam besetzt wurde, und zeigt, wie der hartnäckige Widerstand die Eroberer allmählich zermürbt. Die sittliche Kraft der Unterdrückten ist besonders in der Gestalt des Bürgermeisters einer kleinen Stadt verkörpert. Das Geschehen des letzten Weltkrieges bot die Anregung, doch erhebt sich der Roman über das historisch Einmalige zur Höhe des Allgemeinmenschlichen und immer Gültigen und hinterläßt durch die lapidare Einfachheit der Sprache einen tiefen Eindruck. — Von Hans Habe, einem Autor, der in der amerikanischen Armee diente, stammt der interessante Nachkriegsroman „Wohin wir gehören“ (Verlag Oprecht, Zürich 1948). Schauplätze der Handlung sind Paris, das besetzte Deutschland und New York. Capitain Ogden vom Geheimdienst, ein gebürtiger Deutscher, findet in Deutschland wieder die geliebte Frau, von der er sich einst trennen mußte, sein Kamerad und Freund Major Stroud, Kommandant eines Gefangenenlagers, hat ein Liebeserlebnis mit einer jungen Polin. Beide Männer erfahren so die Verschiedenheit zwischen der amerikanischen und der europäischen Frau; sie erkennen, wohin sie gehören und daß jeder Mensch seinen bestimmten Lebensraum hat, wo er sich am besten entfalten .kann. Diese Einzelschicksale sind beispielhaft für viele andere und beleuchten eine Problematik, der Angehörige der Besatzungsarmee sich oft gegenübersehen. Der psychologisch sehr aufschlußreiche Roman zeichnet die

Verhältnisse im Nachkriegsdeutschland mit gleicher überzeugender Echtheit wie die in Amerika und wirft viele Fragen, darunter auch die der Erziehung zur Demokratie, auf. Er gibt der Liebeshandlung immer den politischen Hintergrund und ist sehr fesselnd, oft mit gewagter Realistik, geschrieben. Jedenfalls ein Buch von innerem Gewicht, das viel zu denken gibt. — Von tieferer Problematik unbeschwert, aber sehr reizvoll, ist Carl Zuckmayers Erzählung „Der See1en bräu" (Bermann- Fischer-Verlag, Wien 1948). Sie spielt in einem kleinen Dorf im Salzburgischen und stellt zwei köstliche Originale in den Mittelpunkt der Handlung: den alten musikbegeisterten Dechant, genannt der „Seelenbräu“, und den schalkhaften Lebensgenießer, den Brauherrn. Was sich da um diese beiden Käuze herum alles tut, wird mit viel Humor und in einem, mit kräftigen Farben malenden Stil erzählt. — Schicksale ladinischer Bewohner des Dolomitengebietes bilden das Motiv der Erzählung „Dolomitenlegende“ des Südtiroler Dichters Hubert M u m e 11 e r (S.-Jörgl-Verlag, Klagenfurt 1948). Als Volk zwischen zwei Völkern leben diese Ladiner ihr eigenes, tief naturverbundenes Leben, das von uralten mythischen Vorstellungen bestimmt wird. Während der Kämpfe zwischen Österreich und Italien im ersten Weltkrieg entstehen aus Treue und Untreue gegenüber heimischer Überlieferung und geheiligter Sitte tragische Konflikte für drei Menschen, die durch Liebe miteinander verbunden sind. Der Autor hat es gut verstanden, die Stimmung der Dolomitenwelt einzufangen, doch ist sein, sprachlicher Ausdruck bisweilen etwas gesucht und verschwommen.

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