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Roter Stern mit weißem Rand

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Die drei Persönlichkeiten, denen der sowjetische Wirken für Leidende, gibt zu denken. Wieder sind

Film seine internationale Geltung verdankt, leben nicht mehr: Pudowkin, Eisenstein und Dowschenko. Der erste ein Nachspürer der Atmosphäre, der Lyrik; der zweite ein Agitator; der dritte ein Sucher nach Poesie in der Prosa des Alltags. Nach den Perioden der Gesellschaftskritik, des „sozialistischen Realismus“ und des durch den Krieg bestärkten Patriotismus, trat der Sowjetfilm in die vierte Phase der Anklage gegen die „imperialistische Reaktion" ein, die etwa mit Stalins Tod endete. Was nun? Es scheint, daß die Worte von A. Matscheret (1956 in „Iskustwo kino“) bedacht werden, „das wahrhaft Große in der Kunst ist noch niemals und von niemandem nur dadurch errungen worden, daß das Programm einer bestimmten Kunstströmung so gut wie nur möglich eingehalten wurde“, und vor allem, daß der „individuelle Stil“, dem im gleichen Aufsatz große Beachtung geschenkt wird, den Kollektivismus abzulösen beginnt.

Zumindest nach den Proben der sowjetischen Filmwoche, die vom Fachverband der Filmindustrie Oesterreichs mit Unterstützung des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau veranstaltet wurde. „Herz ohne Liebe“ geht auf eine Erzählung Tschechows zurück. Obenhin sicherlich die Tragödie einer Ehe, im Kern jedoch gegen das Strebertum gerichtet, auch gegen die Denkweise bestimmter bürgerlicher Kreise des 19. Jahrhunderts, die Töchter zu „versorgen“. Der Film endet pessimistisch. Die Frau ergibt sich in ihr Wohlleben, der verschuldete Vater, um dessentwillen der Streber genommen wurde, geht trotz Hilfe zugrunde. Alles durchweg episch, kaum je dramatisch. Photographisch einige gute Bilder, die an Manet und Renoir erinnern. Vorzüglich sind die Masken.

Der nächste Film geht ebenfalls auf einen i Stoff Tschechows zurück. „Die Grille“ ist eine Frau, die etwas exaltierten, dilettierenden Kunstneigungen nachgeht und kein Verständnis für den Mann, der Wissenschaftler ist, besitzt. Manches sehr autobiographisch über Tschechow (der ärztliches Fachstudium absolvierte). Ein Ausspruch des Arztes: „Es gibt kein Glück“, keines im Persönlichen, nur im

Milieuzeichnung, Typen, Masken, die ganze Atmosphäre vorzügliqh erfaßt. Die deutsche Fassung hätte bei den Monologen abkürzen und die, bei Tschechow zweifellos zu findende, hochgespannte Romantik und den Lyrismus dämpfen müssen. Die einzelnen Charaktere treten deutlich hervor, es ist also durchaus Persönlichkeitsstil, der hier seinen Weg sucht.

Auf die zwei Stoffe aus dem vorigen Jahrhundert setzte „D e į Fall R u m j a n z e w“ die zweifellos dynamischer wirkende Gegenwart. Diese kriminalistisch angelegte Geschichte von Schmugglern und Wirtschaftsschädlingen ist indes keineswegs Propaganda. Auch hier wird der Versuch gemacht, zum Thema von den ganz persönlichen Eigenschaften aus vorzudringen. Der rote Stern hat einen beträchtlich breiten weißen Rand. Sehr bemerkenswert eine Redewendung, die Dscherschinskij deswegen kritisiert, weil er von den Menschen im vorhinein immer das Schlechte annahm.

Auch der Film „Sehnsucht" spielt in der Gegenwart. Er steht weit über dem üblichen Niveau eines Unterhaltungsstückes. Eine immer fühlbare Idee herrscht: Dienst am Nächsten, Aufopferung des Ich, bereitwilliges Tragen hoher Verantwortung, auch wenn das eigene Glück und die Herzenssehnsucht in Brüche zu gehen drohen. Der Gedanke des Films „Die Grille" wird erneut aufgenommen: Glück heißt Wirken für andere Menschen, der Sinn des Lebens ist Arbeit. Die Hauptdarstellerin, eine Aerztin, wirkt ebenso natürlich und unpathetisch wie ihre Umgebung, trotzdem einige flüchtige- Anspielungen auf das staatliche Leben gemacht werden. Die Regie Ermlers ist geschickt, die Photographie bringt einige recht malerische Bilder aus Leningrad.

Von den Kulturfilmen, die im Verlauf der Woche gezeigt wurden, verdient „T i g e r f ä n g e r“ den ersten Rang. Ihm zunächst steht „Im Sichota- A 1 i n - G e b i r g e“. Beide in der Landschaft von Russisch-Fernost spielend. Als Trickfilm voll natürlichem Humor ist „Ein ungewöhnliches Match“ (Fußballspiel zwischen Spielzeugfiguren) zu nennen.

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