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Sender und Hörer

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Wenn uns die Radiobühne der letzten Wochen etliche hochwertige Hörspiele aus fremden Sprachgebieten in deutschen Bearbeitungen vermittelte, so verdiente sie sich damit Anrecht auf mancherlei Dank und zugleich auch auf Anerkennung eines gewissen schönen Freimutes. Fanden sich doch in diesem Zyklus, der hoffentlich noch lange nicht beendet ist, mehrfach literarische Kostbarkeiten, denen unsere dürftige österreichische Hörspielliteratur nur selten Gleichwertiges gegenüberzustellen vermag, fesselnd durch ihren dichterischen Einfall, beispielgebend durch dessen funkmäßige Gestaltung. Nach dem ungemein dramatischen französischen Hörspiel .ObunsdieWüstebehält“ von Pierre Vire — eine Wiederholung wäre dringend erwünscht — bekam man zum 80. Geburtstag des französischen Dichters Andre Gide eine Funkbearbeitung seines Romans „La Symphonie pastoral e“ zu hören, deren fast restloses Gelingen nicht zuletzt dem Umstände zu danken ist, daß ihr Teile der Romanerzählung bereits in Dialogform entgegenkamen. — Indessen vermochte Puch die vom Studio Dornbirn veranstaltete Sendung einer Dramatisierung von Dostojewskijs D i e hellen Nächte“ die außerordentlich beseelte Zartheit dieses Werkes ungeschmälert zum Ausdruck zu bringen. — Fühlbarere Widerstände setzte ihrer Rundfunkbearbeitung die unterhaltliche und kluge Komödie „D1 e Wölfe“ von Ostrowski entgegen, die freilich, enthielte sie nicht auch gewisse sozialkritische Tendenzen, kaum für das Programm der Russischen Stunde gewählt worden wäre. Die gesamte Menschheit, so hört man da, läßt sich in Wölfe und Schafe einteilen, in Betrüger und Betrogene. Diesmal entgeht ein Schäflein knapp noch dem Schicksal, den Wölfen zum Opfer zu fallen. — Mancherlei der seltenen Vorzüge eines wertvollen und zugleich auch spannenden Hörspieles ließ Ra-guar Josephsons .Vielleicht ein Dichter“ erkennen, dem in seiner schwedischen Heimat bereits ein ansehnlicher Erfolg beschieden war. Aus Liebe zu einer ihm bis zur Stunde völlig unbekannten Frau nimmt ein armer Mensch, ein Träumer, ein immerzu Märchen spinnender Phantast, ein Dichter vielleicht sogar, Schuld und Sühne für eine gar nicht von ihm begangene Mordtat auf sich. Wenn er jedoch nach geduldig verbüßter Strafe, um sich dem Dank der wirklichen Täterin zu entziehen und sie von ihrer Gewissenslast zu befreien, hastig aus dem Leben flieht, so beendet diese Lösung das ungewöhnlich fesselnde Spiel mit einem nicht bloß unlogischen, sondern auch unser Gefühl arg enttäuschenden Schluß.

Der verwunderliche Versuch unserer Radiobühne, den 60. Todestag Anzengrubers just durch eine Sendung seines bedeutungslosen, pseudobäuerlichen Einakters .Die umkehrte Freit' iu .feiern“, kam einer

Kränkung seines Andenkens bedenklich nahe. Da aber zugleich die baldige Aufführung seines wuchtigen Wiener Volksstückes „Das vierte Gebot“, des weitaus stärksten seiner Bühnenwerke, angekündigt wurde, mag sich der Dichter wieder einmal mit seinem alten „Es kann dir nix g'schehn“ getröstet haben. Hingegen geriet der Radipbühne die Absicht, ihren Hörern die phantastisch skurrile Erscheinung des Dichters und Musikers E, Th. A. hoffmeinn durch etliche hörspielartige, von Ludwig Unger bedachtsam gewählte Ausschnitte aus seinen autobiographischen Schriften vom „Kapellmeister Kreisler“ und vom „Kater Murr“ nahezubringen, aufs glücklichste.

Der Klagenfurter Sender nahm die Stimmung der vorweihnachtlichen Woche durch eine bemerkenswert hübsche Aufführung des uralten Hirtenspieles aus der Kärntner Kleinstadt Gmünd wahr. Der Text, der die Ereignisse von der Verkündigung bis zur Ankunft der Heiligen Drei Könige im Stall zu Bethlehem umfaßt, ist von wahrhaft erquickender Herzenseinfalt und volksechter Sprachtreue, die eingeflochtene Musik durchflutet alle Stadien von feierlichem Rhythmu bis zur Anmut und Heiterkeit älplerischer Hirtenlieder und Schalmeiweisen. Schönere-; hätte uns in dieser Woche aus dem Bergland durch den Äther nicht kommen können.

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