6578021-1951_01_17.jpg
Digital In Arbeit

SOS ruft...

Werbung
Werbung
Werbung

Da wir noch vor den Feiertagen soviel wie möglich helfen wollten, beschränken wir uns heute auf einen allgemeinen Bericht. In den letzten Tagen kamen Stöße von Briefen mit kleinen und größeren Geldbeträgen. Hunderte kleiner Zettelchen beweisen immer wieder aufs neue die Hilfsbereitschaft gerade der ärmeren Schichten unseres Volkes. „Ich bin selbst Flüchtling ...“, .Ich bin selbst nur eine Rentnerin...“, „Ich bin nur ein einfacher Arbeiter ...“ Arme Studenten, pensionierte Lehrer und Lehrerinnen, viele Priester...

Der Briefträger hat sich in der vergangenen Woche redlich geplagt Bis zu fünfundzwanzig große Pakete kamen täglich aus allen Bundesländern und auch von Jenseits der Grenzen. Schulklassen aui dem Lande haben für SOS gesammelt große Firmen haben uns wertvolle Sachspenden geschickt Vieles kam anonym.

Wir durften vor allem den kinderreichen Familien helfen. Mancher sorgenvoll Vater, manche abgehärmte Mutter konnte die Tränen nicht verbergen, als sie, oft ahnungslos, von SOS mit Kleidern, Stoffen, Lebensmitteln, Spielzeug usw. reichlich beteilt wurde. Wir haben gerade auch an Jene gedacht, die meist leer ausgehen, well sie ihre Not tapfer verbergen.

Die SOS-Gemeinschaft wächst Es wächst auch die Fülle der Aufgaben, die an sie herangetragen werden. Immer weiter muB unser Ruf dringen: Tut etwas!

SOS 78: 37Jähriger Kriegsversehrter, mit schweren Erfrierungen an beiden Füßen, kann nicht mehr gehen, da sich andauernd an den Füßen Abzesse bilden. Br ist deutscher Staatsbürger und hat weder Krankenkasse noch Rente. Da seine Frau in der Landwirtschaft arbeitet, ist er tagsüber allein und ganz hilflos. Wir beabsichtigen, den Mann in Spitalsbehandlung zu geben und bitten um finanzielle Hilfe.

SOS 79: Oberregierungsrat a. D., staatenlos, schlesischer Flüchtling, schwer leidend (Angina pectoris) und arbeitsunfähig, lebt mit Frau und zwei Kindern (Tochter nach Operation arbeitsunfähig, Sohn verdient wöchentlich 120 Schilling, der zweite Sohn ist seit sieben Jahren vermißt) In kleiner Küche und feuchter Kammer in Oberösterreich. Er hatte alle Zähne verloren und braucht dringend Zahnersatz (S 600.—). Wir bitten um Geldhilfe.

SOS 80: 75jährige Frau, leidend, muß mit einer Fürsorgeunterstützung von monatlich 60 Schilling auskommen. Sie lebt oft tagelang von hartem Brot und etwas Kaffee. Das Brot läßt sie hart werden, damit sie „nicht zuviel auf einmal ißt“. Von Ihren Kindern ist ein Sohn gefallen, die anderen befinden sich gleichfalls in wirtschaftlich ungünstiger Lage und können nicht helfen. Wir bitten um Lebensmittel und etwas Geld.

SO 81: Durch Krankheit (Knochentuberkulose) arbeitsunfähiges, gebildetes Mädchen könnte sich und ihre alten Eltern (Fürsorgerentner) durch Buchübersetzungen erhalten, wenn sie eine Schreibmaschine bekäme.

SOS 82: Junger akademischer Maler lebt In großer Not Er verrichtet Gärtnerarbeiten, um leben zu können, und hat kein Geld, um sich Farben zu kaufen.

Auch Schweizer tun mit

Die Tätigkeit der SOS-Gemeinschaft Wien, der die Leser der .Furche“ und des .Offenen Wortes“ ihren Beistand leihen, hat nun in der Schweiz aus tiefer christlicher Menschlichkeit Widerhall gefunden.

Die .Neuen Zürcher Nachrichten* stellen sich in einem ergreifend schönen Aufruf an ihre Leser uns zur Seite, in dem sie sagen: .Die ,SOS-Gemein-schaft für Soforthilfe' ist eine Laiencaritas, eine Hilfsgemeinschaft von Redaktoren und Lesern der Wochenzeitungen .Offenes Wort“ und ,Die Osterreichische Furche'. Sie beruht auf dem schlichten und doch so fruchtbaren, echt christlichen Einfall, die unübersehbaren Massen von Menschen, die heute das Lebensnotwendige nicht mehr haben, denen der Krieg, die Vertreibung aus ihrer Heimat oder sonst ein hartes Geschick alle Habe und jede Möglichkeit, sich selbst aufzuhelfen, aus den Händen geschlagen hat, in Einzelnen-sehen aufzuteilen. Allwöchentlich erscheinen in diesen Zeitungen — unter dem Zeichen äußerster Seenot SOS — Aufrufe: Menschenschicksale, auf kürzeste Formen gebracht. Und die Leser in die-sem verarmt en Wien reagieren, rasch und unermüdlich: bereits werden Tausende laufend betreut, obwohl die SOS-Gemeinschaft erst seit einem knappen Jahr besteht. Aber das Elend ist so unermeßlich, daß nicht daran zu denken ist, daß sie allein zu Rande kommen.“ Deshalb lädt das angesehene Schweizer Blatt — ohne gebeten oder gar aufgefordert zu sein — seine Leser ein, einfach aus dem spontanen Bedürfnis, dieser Gemeinschaft lebendigen Helfens sich anzuschließen.

Schon hat sich in Zürich eine SOS-Gemeinschaft gebildet und eine Gruppe von jungen Leuten ehrenamtlich zur Verfügung gestellt, um die Geld- und Warenspenden sachgemäß der Caritas Wien zuzuleiten. Auch ein Dienst zur Einsammlung der Spenden wurde eingerichtet. Zu gleicher Zeit veröffentlichten die .Neuen Zürcher Nachrichten* erstmals den Aufruf der Wiener SOS-Gemeinschaft. Das Blatt wird diesen von nun an jeden Donnerstag an gleicher Stelle publizieren, wie es sagt, .in der festen Uberzeugung, der Notruf werde nicht ungehört verhallen*.

Wiederum treten Schweizer damit in ein Werk christlicher Nächstenhilfe für Österreich ein und geben in dieser von Streit und Haß erfüllten Welt ein rührendes Beispiel werktätiger christlicher Brüderlichkeit.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung