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Unter Föhren und Buch en

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Der Wald spricht nicht das feierlich prangende Wort der Sterne. Nicht wie sin Herr auf strahlendem Thron. Er spricht wie eine Mutter zum Kinde, ein-;ach und schlicht. Wir reden mit der iA/elt der Bäume vertrauter als mit der innahbaren Welt der Lichter am Firma-nent, sind beglückt von ihrer warmen, jelassenen Art und fühlen uns von ihren 'weigen wie von liebender Hand be-ührt. Die erste Urkunde des Menschen-jeschlechts erzählt von einem Baume im harten, der in ungetrübter Helle und Schönheit vor Adams Auge steht und des lerrn Botschaft hört. Seitdem gibt noch ift der Baum von Gottes Wort und Wil-en Zeugnis. Die Zeder des Libanon, die 'ypressen von Sion, die Palmen von Cades, die Rosenstämme von Jericho, lie Feigenbäume Galiläas, das Schilfrohr 'on Genezareth und die ölgärten von jethsemani umschatten des göttlichen Deisters Mysterien. Gerade Bäume sind ;s, die in reicher Symbolik die Heilige Schrift, die Psalmen und Prophezien, die Parabeln und Gleichnisse umranken.

Ecce Lignum Crucis! Ja, ins Holz schrieb der Heiland seine größte und letzte Botschaft, als er an dessen Balken ling und starb. Er machte das Kreuz tum Träger und Künder des Heils, zum Zeichen der Erlösung, zum Unterpfand seiner Liebe, zum benedeiten Symbol seiner selbst. Die Baumgiganten von vlariposa werden stürzen, auch die Pyramiden, die Berge, die Planeten, nicht iter Christi Kreuz, jener Baum von Gdgatha, der unter dem Gnadenregen senes Blutes die Früchte des Heils trägt unl über Zelten und Welten hinaus Chisti Sieg verkündet. So hat das Holz auf Calvaria über alles irdische Maß hin us Gottes Weihe erfahren.

Dr Wald hat seine Sprache. Wenn der Sturm in schweren Akkorden durch dieBäume rast, der Orkan in die Harfen gre;t und Stämme splittert, da trauert schver und dumpf das Leid der Welt. Wnn aber maßvoll gelassen ein Forte duch die Eichen rauscht, ein Majestoso inZedern und Platanen schwört und ein A'agio durch Föhren und Pinien geht, dein klingt wie ein Chor von Pilgern ds Ringen und Bekennen, das Beten uri Hoffen der Menschen mit. Und end-liö, wenn es in den Buchen flötet, ein Pino durch die Birken rieselt, ein Moll unl Dolce in den Weiden träumt und in somigen Erlenwipfeln die vox celestis sine', da stimmt mit Faltern und Vögeln des Renschen Glück und Freude ein.

V\enn ich mich meiner Nordlands-fahren entsinne, bleiben meine Gedanken am braunen Holz norwegischer, schredischer und finnischer Blockdielen mit ihren wuchtigen Eichentischen, Bänken und heimeligen Gelassen hängen. Ein Biü aus dem höchsten Norden will mir ni! aus dem Sinn. Es war wie aus einein lembrandt geschnitten. Ich klopfte an die Tür eines alten Blockhauses in Tr'omsf und trat ein. V/armes, dunkles Getäfel Durch kleine Fenster fielen die Strahler der Sonne über rote Geranien auf Tich und Bank, Flachs und Spinnrad, öer auch auf eine Frau, die in königliher Haltung am Rocken saß. Als sie mia sah, erhob sie sich und reichte mir siaer und gemessen die Hand. Hoch gewacben, schlank und aufrecht stand sie in weißem Haar, wie von einem mittel lterlichen Meister geschnitzt, vor mir. Se trug die Tracht der Heimat, und im eden Antlitz lagen schon tief die Runer des Alters geschrieben. Ruhe und “ Friedi ging durch den Raum, und ein

Hauch von Weihe wob in der Ecke, wo ein Kreuz sich über Licht und Blumen neigte. Ein Bild aus dem holzreichen Norden, naturecht, schlicht und doch wie fein kultiviert! Den Einklang der Farben vom Gold der Sonne bis zum Braun der Wände, den Formenlauf der, Linien an Frau, Raum und Hausrat hätte ein Dürer selbst nicht besser- ersonnen. Kein Zuviel, kein Zuwenig. Edel, wie in der Freiheit des Waldes, stand hier das Holz im Dienste des Menschen. Wohl hat Hack und Säge, Hobel und Messer dem königlichen Gewächs unserer Fluren arg zugesetzt. Aber es geschah mit Liebe. Der Mensch hat es zu Tisch und Bett, zu Bank und Stuhl, zu Dach und Fach, zu Löffel und Werkzeug, Wiege und Sarg, ja, wenn ich es sagen darf, im Krieg zu Hemd und Rock gemacht, und nichts von allen Dingen steht uns näher als das Holz. Drum hat auch meisterliche Kunst ihm Form und Stil gegeben, wie hier in dieser Stube.

Im Banne des Holzes gedenke ich auch meines Ahnen Matthias Klotz. Er stammte aus Mittenwald, war Geigenmacher, ging bei Steiner in Absam in die Lehre und saß auch mit Guarneri und Stradivari am Werktisch bei Meister Amati in Cremona. Im Herbst stieg er auf die Berge seiner Heimat, hielt sein Ohr an die alten Stämme von Fichte und Ahorn, prüfte, das Hämmerchen schwingend, ihren Ton, wählte das Holz und brachte es wie einen kostbaren Schatz zur meisterlichen Betreuung in die Werkstatt. Dort lag es eine Reihe von Jahren in freier Luft, bis es vollends getrocknet war und in die Arbeit genommen wurde. Hatte die goldschimmernde Geige endlich ihre Klangfarbe und seelische Eigenart, so drückte sie der Meister an sich und küßte sie, als hätte er diesem Kind im Hemdlein von Holz sein eigen Leben gegeben. Der Bau war gelungen und aus dem kleinen Brustschrein klang die Stimme eines Seraphs. Er reihte die Geige mit frommen Gedanken und Wünschen zu den anderen Kindern seiner Meisterschaft und ahnte vielleicht, daß sie einmal in der Hand eines Künstlers aufhorchende Menschen glücklich machen sollte.

Dies und noch viel anderes schrieb ich über Holz und Bäume draußen auf meiner Bank unter den Buchen und Föhren meiner Heimat.

Aus dem Buch' „Mein Südtirol“, Verlag Rupertuswerk, Erzabtei, St. Peter, Salzburg

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