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Wet wird beim Konzil gehort?

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Unsere Zeit ist so ganz anders, als es jene Epochen der letzten zwei Jahr- tausende waren, in denen die bis- herigen zwanzig Konzile der Kirche stattfanden: Wir sind bei aller unserer sonstigen ungenierten Art, „Tabus” zu durchbrechen und kaum ein Thema von der offentlichen Erorterung aus- zunehmen, lange nicht so unbefangen wie die Menschen des ausgehenden christlichen Altertums, die die Kon- zilsthemen des vierten und ffinften Jahrhunderts — darunter die Frage der Wesensgleichheit oder Wesensahnlich- keit des Sohnes mit dem Vater — auf dem Fischmarkt erorterten und sich uber dogmatische Entscheidungen sub- tilster Art buchstablich in die Haare gerieten. Wir sprechen fiber solche Dinge nicht gem und schon gar nicht in der Form parteinehmender Ausein- andersetzung. Auf der anderen Seite ist unsere Zeit aber alles andere als desinteressiert an religidsen Fragen. Unwahrscheinlich weit entfernt muten uns schon die Tage unserer GnoB- vater an, da die sogenannte „grobe Presse” selbst Ereignisse, wie eine Papstwahl, nur im ruckwartigen Nach- richtenteil vermerkte, weil man beim. „Publikum” kaum Interesse an einer derart „iiberlebten Welt” voraus- setzen konnte. Und so trat denn in den letzten Wochen etwas sehr Merk- wfirdiges ein: Die meisten Zeitungen Osterreichs, darunter vor allem solche, deren Richtung und Gesinnung alles andere als kirchlich zu nennen ist, veroffentlichten an hervorragender. sonst nur weltpolitischen Ereignissen oder Raubmorddetails vorbehaltener Stelle in Balkenlettern ..Wfinsche des osterreichischen Klerus an das Kon- zil”. Sie hoben aus einem ziemlich umfangreichen Material begreiflicher- weise natfirlich jene Punkte heraus, die als sensationell empfunden wurden, besonders dann, wenn sie nicht in der sonst im kirchlichen Amtsbereich fiblichen Formalsprache, sondern in eiffetrf sthr lajridaren, wrhUroiehtwzu sagen banalen Stil abgefafit oder zitiert wurden. Die Sache selbst hat huh besonders in kirchlich nicht informierten Kreisen betrachtliches und nicht immer nur positives Aufsehen erregt, so daB einige Worte der Klarung notwendig erscheinen.

Leserbriefe sind keine Offenbarung

Zunachst einmal: Wie kam es fiberhaupt zu dieser Veroffentlichung? Die .Vorgeschichte ist verstandlich. Das in Salzburg erscheinende „Klerusblatt”, dem diese Texte entnommen waren, ist ein priesterliches Standesorgan, das zwar durch seine Herausgeber — be- kannte Theologieprofessoren — absolute Seriositat besitzt und in zahl- reichcn Beitragen Dokumentarcharak- ter tragt, dennoch aber nicht mit einem offiziellen Amtsblatt der kirchlichen Behorden verwechselt werden kann oder auch nur will. Es dient nicht zuletzt den Priestern selbst als ein Ausspracheforum. Wer dort schreibt, besonders wenn er es in der Form eines Leserbriefes tut, rechnet mit der verstandnisvollen Aufnahme, in vielen Fallen auch mit der kolle- gialen Erwiderung seiner priesterlichen Freunde. Er stilisiert seine Gedanken in der Regel nicht als einen Hirten- brief oder eine dogmatische Verlaut- barung, sondern als eine Meinungs- auBerung im engeren Standeskreis. Nun hat das Klerusblatt, das vierzehntagig erscheint, bereits seit einigen Monaten laufend Zuschriften von einzelnen Priestern oder ganzen, als solchen ge- kennzeichneten, priesterlichen Freun- desgruppen aus verschiedenen Bundes- landern veroffentlicht, die sich mit Wttnschen und Gedanken zum kom- menden Konzil befafiten. Dabei kamen naturgemafi auch Herren zu Wort, die — an der taglichen Front des priesterlichen Alltags stehend — weniger an Definitionen ffir die Jahrhunderte fei- len, sondern sich im vertrauten Kreis ihre Sorgen vom Herzen reden woll- ten. Sie legten bestimmte langjahrige Gemeindeerfahrungen, aber auch ganz private Gedanken vor, die natfirlich nur in einem bestimmten, ihnen er- fshruiigsmaJSig,. ;zuganglichen Bereich filJigkeit besftzen. Wenn wir eflra dort lesen, daB man das Fest Epiphanie wegen des nach den Weihnachtsfeier- tagen nachlassenden Gottesdienst- besuches auf den folgenden Sonntag verlegen solle, so mag dies ohne wei- teres fur bestimmte Gegenden Osterreichs zutreffen. Die Weltkirche, die auch an Lander denken mufi, in denen es fiberhaupt keine auBerliturgischen Weihnachtsfeiern, daffir aber grofie offentliche Epiphaniegottesdienste gibt, kann so etwas natfirlich gar nicht ernsthaft zur Kenntnis nehmen.

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