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Wie tot ist Kunschak?
Über der Erinnerung an die 25. Wiederkehr des Jahrestages, an dem der Name Österreich von der Landkarte gelöscht wurde, sollte ein anderer 13. März nicht vergessen werden: jener, an dem vor nun auch schon wieder zehn )akren ein treuer Österreicher und aufrechter Demokrat nach einem arbeitsreichen Leben Abschied von dieser Welt nahm. Wir sprechen von Leopold Kunschak. Der hochbetagte Mann mit dem guten ehrlichen Arbeitergesicht auf dem Sessel des Präsidenten des Nationalrates: so lebt er in unserer Erinnerung. Was bedeutet sein Name heute noch in Österreich, welche Verpflichtung bringt es mit sich, an seinem Grabe Kränze niederzulegen?
Leopold Kunschak war nicht immer der abgeklärte, über dem Parteiengetriebe stehende „große alte Mann“. Er war von früher Jugend an ein Streiter, der den Kampf zwar nicht suchte, der ihn aber jederzeit annahm, wann immer er ihm aufgezwungen wurde. Von links und rechts, von „Freund“ und Feind. Beides ergab sich aus einem: Leopold Kunschak war zeit seines Lebens ein Vorkämpfer des christlichen und sozialen Gedankens in seiner Partei, die nicht nur heute den verschiedensten Einflüssen und Einflüsterungen ausgesetzt ist. Lebte und wirkte er in der Gegenwart, seine Widersacher würden ihn vielleicht einen „Links-katholiktn“ heißen. Aber seine leitgenossen waren noch weniger zimperlich. So etwa jener Führer eines Wehrverbandes, der Kun-schaks Bereitschaft zur demokratischen Zusammenarbeit auch mit den Sozialisten einmal äußerst geschmackvoll in einer Rede apostrophierte, es gäbe Leute, die es nicht erwarten könnten, „mit der roten Hure ins Bett zu gehen“. Um Österreich und um des Bürgerfriedens willen, ertrug er solches ruhig. Er scheute auch nicht, sich einen „Packler“ nennen zu lassen und den Unmut manches — wie man heute sagen würde — „Harten“ in Kauf zu nehmen. Und die Geschichte gab ihm recht. Sie nennt seinen Namen als den eines weitschauenden Mannes und großen Sohnes dieses Landes, während die Namen seiner Gegner, wenn nicht der Schmach, so dem Vergessen anheimgefallen sind.
Auf Kunschaks Grab Kränze niederzulegen, ist gut, seinen Geist, dem Geist christlicher Demokratie wieder breiteren Raum in jener Partei einzuräumen, die sich in der Erinnerung an Kunschaks Namen beugt, ist besser. Am besten ist aber immer eine konkrete Tat zu setzen. Am 23. März sollte der Wiener Arbeiter- und Angestelltenbund der ÖVP seinen Obmann wählen: Wo sonst als gerade hier müßte man bestrebt sein, in der Nachfolge Kunschaks zu stehen. Nur ein Mann mit einem fleckenlosen Ehrenschild, mit einer weltanschaulichen und politischen Klarheit kommt hier in Frage. Wenn er über eine gediegene Bildung verfügt, sollte dies kein Ausschließungsgrund sein, und ein geborener Wiener ist auch nicht zu verachten. Der Wiener ÖAAB hat einen solchen Mann in Reserve, und es ist eigentlich verwunderlich, daß seine Kandidatur nicht als selbstverständlich gilt. Oder triumphiert auch hier der „Apparat“ oder ein mehr oder weniger farbloser „Vermittlungskandidat“ ?
Der in letzter Minute auf den Herbst verschobene Landestag muß in freier Abstimmung entscheiden können und nicht nur ein Akklamationsforum für den Vorschlag eines Wahlkomitees abgeben. Sonst täte man besser, das Bild des Demokraten Leopold Kunschak zu verhüllen.
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