6532340-1945_03_07.jpg
Digital In Arbeit

Der Heilige und der König

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn es mir erlaubt ist, Euer Majestät zu offenbaren, von welchen Gesinnungen ich Sie erfüllt zu sehen verlange, so wünsche ich in Wahrheit, Euer Majestät möchten, Einkehr haltend bei sich selbst, bedenken, daß Gott Ihnen, in weitem Vorrang vor allen anderen christlichen Herrschern der Erde, dieses mächtige Reich Indien zu keinem anderen Ziel anvertraut hat, als um Ihre Tugend zu erproben, Ihre Treue in der Erfüllung Ihrer Königspflichten und Ihre Dankbarkeit für solch unermeßliche Wohltaten aufzurufen. Denn die Pläne Gottes zielen nicht dahin, Euer Majestät Schatzkammern mit den Reichtümern des Orients und mit dem Golde der Negerkönige zu füllen, sondern vielmehr dahin, Ihrer Hochherzigkeit Entfaltung zu geben: die anbetungswürdige Vorsehung bietet Ihrer Tugend und Ihrer Frömmigkeit Gelegenheit, neue Verdienste zu sammeln, sie bereitet Ihrem Seeleneifer die Wege, auf daß Sie, unterstützt von den Bemühungen Ihrer getreuen Diener, die Bewohner jener fernen Länder führen können zur Erkenntnis ihres Schöpfers und zum Glauben an den Erlöser dere Welt.

Es geschieht darum mit vollem Recht, wenn Euer Majestät Ihren Statthaltern in Indien als vornehmste Pflicht empfehlen, der Entfaltung des Glaubens und der Ausbreitung unserer heiligen Religion zu dienen. Euer Majestät vergessen nicht, daß Gott von Ihnen Rechenschaft fordern wird über das Heil so vieler Völker, die zur Stunde bereit wären, die Wege des Glaubens zu finden, wenn nur jemand sie darin unterweisen wollte. Das Fehlen einer führenden Hand aber würde sie gefangen halten in der Nacht der Unkenntnis und in der Verstrickung der Laster, worinnen sie ohne Unterlaß ihrem Schöpfer widerstehen und sich selbst ewigen Untergang bereiten.

Euer Majestät werden aus dem Bericht des Generalvikars, Miguel Vazer steht im Begriff, sich nach Portugal einzuschiffen — persönlich erfahren, wie groß die Bereitschaft der Heiden ist, den heiligen Glauben zu umfangen, und wie günstig die natürlichen Umstände liegen, die Ausbreitung der christlichen Religion zu fördern... Die Abreise dieses Herrn erfüllt die hiesigen Christen mit solcher Trauer, daß seine Rückkehr im nächsten Jahr zum Tröste allen Volkes und um der Festigung seiner Frömmigkeit willen dringend nötig erscheint. Euer Majestät werden in Ihrem eigenen Interesse handeln, wenn Sie ihn nach Goa zurückschicken und sich auf einen Menschen stützen, der so weise und eifrig der Aufgabe dient, die Ihnen selbst auferlegt ist: den Ruhm Gottes in indischen Landen aufzurichten .. t

Ich genüge darum einer Pflicht, und ich erleichtere mein Gewissen, wenn ich Euer Majestät im heiligen Ernste vor Augen führe: soll das Wachstum unseres heiligen Glaubens in Indien gefördert werden, sollen die neuen Kinder der Kirche ihrem Schöße nicht wieder entrissen werden, um in ihren alten Aberglauben zurückzufallen — die Ungerechtigkeiten und die unerhörten Verfolgungen, denen sie vor allem von Seiten Ihrer Offiziere ausgesetzt sind, bieten hiezu den Anlaß —, so ist es unerläßlich, Miguel Vaz in seiner Eigenschaft als Generalvikar dem Bischof von Goa zurückzusenden.. Sein energischer, ausdauernder Charakter allein kann den Unternehmungen dieser Bedränger erfolgreich widerstehen...

Ich beschwöre Sie, Sire, und es ist um der Glorie de göttlichen Dienstes willen, daß ich Sie also bestürme: wenn meine Absicht rein ist und Wahrheit auf meinen Lippen ruht, so schenken Sie meinen Worten und demütigen Ratschlägen ein gnädiges und williges Gehör! Ich wiederhole es, es geschieht um der Glorie und um des Dienstes Gottes willen und im besonderen Interesse der Gewissensruhe Eurer Majestät, wenn ich Sie anflehe: empfehlen Sie nicht nur in schrifdichen Erlassen Ihren Offizieren in Indien die Anliegen der Religion, sondern besiegeln Sie Ihre Weisungen auch mit dem ausdrücklichen Befehl, die Übertretungen Ihres Willens durch gerechte Bestrafung zu ahnden.

Fürchten Sie, Sire, Jene Stunde, vor efer es kein Entrinnen gibt; fürchten Sie, daß am Tage, der uns heimsucht, ohne vorhergesehen su werden, an den Stufen des göttlichen Thrones der Zorn des obersten Richters Sie (fiese Worte vernehmen lasse: „Warum hast du nicht jene Diener gezüchtigt, die, unter deinem Befehl stehend und in deinem Namen handelnd, Meiner Religion in Indien geschadet haben? Hast du hingegen nicht strenge Strafen verhängt, wenn die Sorge für deine Einkünfte oder die Pflichterfüllung in zeitlichen Dingen von ihrer Seite vernachlässigt wurde?“ Ich weiß nicht, Sire, von welchem Gewicht der Einwand wäre, den Sie dann vielleicht zu Ihren Gunsten geltend machen können: „Ich bezeuge in Wahrheit, daß ich alljährlich in zahlreichen Briefen meinen Untergebenen mit inbrünstigem Eifer die Anliegen Deiner Religion empfohlen habe, Herr, mein Gott.“ Zur Stunde wird Ihnen geantwortet werden: „Dennoch, die dreisten Übertretungen deiner erhabensten Befehle ließest du ungesühnt, die treulosen Verwalter deiner irdischen Angelegenheiten aber ließest du strafen gemäß ihrer Vergehen!“

Gedenken Sie, Sire, Ihres glühenden Eifers für die Ehre Gottes, erwecken Sie aufs neue Ihr Gewissen, welches ich immer bereit gefunden habe, vor Gott allein sich verantwortend, seinen höchsten Pflichten Genüge zu tun: um Ihres eigenen Seelenheiles willen beschwöre ich Sie! Senden Sie einen Vizekönig nach Indien, statten Sie ihn mit den nötigen Vollmachten aus, auf daß er einer unübersehbaren Zahl jetzt gefährdeter Menschenseelen nütften könne; traeen Sie Sorge, daß seine Stellung unabhängig sei von der Person des kömglichen Schatzmeisters, damit wir in der Folgezeit jene Übelstände verschwinden sehen und allen Ärgernissen, die bis zum heutigen Tage der Sache der christlichen Religion so tiefgreifend geschadet haben, zu steuern vermögen.

Und ist dies alles geschehen, so müssen Euer Majestät auch vor sich selbst Redien-schaft ablegen, um dem unermeßlichen Reichtum an zeitlichen Gütern, den Sie von der göttlichen Huld aus diesen indischen Reichen empfangen haben, jene Summe gegenüberzustellen, die Sie für den Dienst Gottes und die Sache der Religion bereitstellen ließen. Möge diese ernsthafte Erforschung Sie zu größerer Freigebigkeit anregen, möge sie Euer Majestät bestimmen, für Gott und seine den ewigen Dingen dienenden Interessen alles hinzugeben, was sowohl den Forderungen eines gerechten Urteils entspricht, als den Gesinnungen Ihrer frommen, wahrhaft königlichen Seelei

Tragen Sie Sorge, Sire, daß der Schöpfer alles Guten Ihre geistige Opfergabe annehme als einen Akt der Dankbarkeit für alle Güter, die seine unendliche Freigebigkeit an Sie verströmt hat. Euer Majestät wollen nicht zaudern, nicht einen Tag säumen! Doch wie groß auch Ihr eilfertiges Mühen sei, — immer kommt es schon zu spät. Und wenn ich Stimmen zu hören meine, die sich zum Himmel erheben von diesem indischen Land, Euer Majestät anklagend, daß Sie, allzu engherzig, von der Fülle der Schätze, mit denen Sie sich bereichern, nur einen geringen Teil den so unermeßlich wichtigen Werken der Frömmigkeit zufließen lassen, so ist es die Liebe, die mich drängt, Euer Majestät also zu schreiben, diese tiefe, unauslöschliche Liebe, die ich für Sie im Grunde des Herzens trage ... Ich glaube mit Gewißheit, daß ich in Indien sterben muß und daß ich Euer Majestät in diesem Leben nicht wiedersehen werde. Darum bitte idi Sie um den Beistand Ihrer Gebete, auf daß wir uns im ewigen Leben, im Schöße eines seligen Friedens wiederfinden können. Und ebenso wie Euer Majestät es für mich erflehen, bitte ich für Sie Gott, unseren Herrn, daß er Ihnen in diesem Leben die Gnade verleihe, immer so zu denken und so zu handeln, wie Sie einst in der Stunde Ihres Todes wünschen werden, es allzeit gehalten zu haben.

Euer Majestät Diener

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung