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Die Finsternisse des Anfangs

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„Man muß tief in eine Kunst oder eine Wissenschaft gedrungen sein, um die Anfangsgründe wohl zu besitzen. Klassische Werke können nur durch Männer hervorgebracht werden, die unter dem Harnisch grau geworden sind. Nach dreißig oder vierzig Jahren Übung ist mein Onkel die erste Dämmerung musikalischer Theorie gewahr worden.“

Wenn man Diderot glauben darf, stammt dieses Wort aus dem Mundo von Rameaus Neffen.

Kurt Pahlen ist der im Harnisch grau gewordene Klassiker unter den Musikschriftstellern, den man hoffentlich noch öfter diese seine vor Jahren geschriebene Einführung in die Musik neu auflegen sehen wird. Der mit Musik bereits Vertraute mag vielleicht über das, einem Brief Verdis entnommene, ernste Künstlermotto lächeln. Für den Laien, der zum erstenmal das Reich der Töne kennenlernt, ist es wirklich schwer genug, „vorwärts zu schreiten und immer weiter vorwärts zu streben“, und sollte es sich dabei auch nur um Akkordumkeh-rungen oder um den Unterschied von Dur und Moll handeln. Wenn nämlich Diderot unrecht hätte (siehe oben), dann müßte ein ehrgeiziger Leser aus diesen elf Kapiteln tatsächlich alles über Musik erfahren können. Von allem den Anfang wenigstens, jenen Anfang, von dem Diderot den Neffen des berühmten Verfassers des ersten Harmonielehrebuches sagen läßt: „Erst Mitte und Ende klären die Finsternisse des Anfangs auf.“ Diese Finsternisse aber sind es, die den Leser hindern, nachdem er den Begriff des transponierenden Instrumentes kennengelernt hat, sich auch noch im Partiturenlesen dieser Kenntnis zu versichern, obwohl er nun hierzu imstande wäre. Und so ist auch die „Kleine Geschichte der Musik“ für den bereits Eingeführten wertvoller als für den Einzuführenden. Dafür kann aber der Verfasser nichts, dem man für sein Werk danken muß. Da jeder, der einer solchen ersten Einführung wirklich bedarf, etwas anderes darin sucht und auch finden soll, muß das Buch sehr geschickt geschrieben sein, um einem solchen Zweck zu genügen. Es entspricht ihm in idealer Weise.

Nur wenige Beschwerden sind anzumelden: Klang und Ton sind nicht sehr glücklich unterschieden worden, auch wüßte man gerne, wie die Obertöne entstehen. Wenn wir (Seite 19) das Papier unter dem schwingenden Körper nicht auch noch vorbeiziehen, wird nicht die gezeichnete Kurve entstehen. Warum sind Cis und Des nicht gleich? Ob man den Platz für die Aufzählung der vielen Instrumente in dem Kapitel über Volksmusik nicht besser durch leider fehlende Bilder von Blasinstrumenten füllen sollte?

Namen- und Sachregister vervollständigen das Werk, das jedem empfohlen werden kann, der das gesamte ungeheure Gebiet der Musik gleichsam mit einem einzigen Blick überschauen möchte. Es wird ihm nur recht sein, wenn das einzelne dabei nicht sehr deutlich hervortritt.

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